Kommentar Finanzkrise: Die Finanzkrise geht um die Welt
Mit den Währungsproblemen hat die Finanzkrise ein neues Stadium erreicht. Jetzt ist klar: Die Globalisierung ist total.
Ulrike Herrmann ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.
Die Liste der Länder, die vor dem Staatsbankrott gerettet werden müssen, wird länger. Erst nur Island, nun auch Ungarn, die Ukraine und demnächst wohl Argentinien. Keineswegs sicher ist auch, wie Polen, die baltischen Staaten oder die Türkei die Finanzkrise überstehen. All diese Länder haben hohe Auslandsschulden - nun ziehen die Gläubiger ihre Kredite ab.
Das ist aber nur ein Teil des Desasters. Denn Spekulanten haben die kleinen Währungen entdeckt und forcieren nun mit Leerverkäufen weitere Kursverluste. Der Internationale Währungsfonds, so viel ist sicher, wird in den nächsten Wochen schwer zu tun bekommen. Weltweit wird er im Gestus eines Feuerwehrmannes heranhasten, um Geld zu verspritzen.
Mit den Währungsproblemen hat die Finanzkrise nach 16 Monaten nun ein neues Stadium erreicht. Sie ist jetzt wahrhaft global und hat auch die Peripherie und die Entwicklungsländer erreicht. Das ist eine Zäsur. Bisher glaubten ja zumindest die Optimisten, die Finanzkrise ließe sich irgendwie "entkoppeln". Die USA und die EU leiden - der Rest macht weiter wie bisher. Was für eine Illusion. Stattdessen zeigt sich, dass die Globalisierung total ist.
Und wie geht es nun weiter? Auf diese ungeduldige Frage gibt es keine eindeutige Antwort. Es gehört zum Wesen dieser Krise, dass sie ohne Vorbild ist. Finanz- und Währungskrisen gab es zwar schon viele - ob es nun die Asienkrise 1997 oder die Rubelkrise 1998 war. Aber typischerweise begannen die Turbulenzen in der Peripherie des Weltmarkts, bevor sie das Zentrum störten. Diesmal ist es genau andersherum: Die Krise geht ausgerechnet von den USA aus, der Hüterin der Weltwährung, und erfasst nun den ganzen Globus. Pessimisten wie der weltberühmte Spekulant George Soros glauben, dass jetzt eine Dollar-Blase platzt, die seit 1982 von allen US-Regierungen aufgepumpt wurde.
Die Rettungsversuche der Währungshüter wirken angesichts dessen nur noch hilflos. Am Montag kündigte EZB-Chef Trichet an, dass man in zehn Tagen "möglicherweise" den Leitzins senken werde. Dagegen ist nichts zu sagen. Aber festzuhalten ist auch, dass die vergangenen Zinssenkungen bisher nichts genützt haben.
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