Kommentar Familienpolitik: Arbeit schützt vor Kinderarmut
Obwohl Deutschland viel Geld für Familien ausgibt, sind besonders viele Kinder arm. Ein Blick in andere Länder zeigt: Kinder sind am besten davor geschützt, wenn beide Eltern arbeiten.
D ie Lage scheint paradox. Nur wenige OECD-Staaten geben derart viel Geld für Familien aus wie der deutsche. Und doch sind hier besonders viele Kinder von Armut bedroht. Eine neue Studie lässt jetzt erahnen, warum Deutschland trotz aller Mühen nicht sonderlich familienfreundlich ist: Die Politik versteht es nicht, die Fördergelder klug zu verteilen. Sie gießt ihre Euro mal hierhin, mal dorthin. Umso wichtiger wäre es, sich endlich für eine einheitliche Strategie zu entscheiden.
Cosima Schmitt ist Redakteurin im Inlands-Ressort der taz. Ihr Spezialgebiet: Frauenpolitik.
Längst ist absehbar, wie der Weg aussehen sollte. Der Blick in andere Länder zeigt, wie sehr sich eine Politik bewährt, die beide Eltern zum Verbleib in der Berufswelt ermutigt. Dies beginnt mit einer guten Kita, die so lange geöffnet ist, wie ein voller Arbeitstag dauert. Und setzt sich fort über ein vielseitiges Nachmittagsangebot an den Schulen.
Eine solche Offerte dient gleich mehreren Zielen. Sie bewahrt Mütter davor, als Geschiedene oder Rentnerin mit winzigen Einkünften dazustehen. Vor allem aber nutzt es den Kindern. Kaum etwas schützt sie derart vor Armut wie Eltern, die beide berufstätig sind. Dies zeigt eine andere Studie, die gestern von der Hans-Böckler-Stiftung vorgestellt wurde und die besagt, dass arm dran ist, wer nur von erarbeitetem Lohn leben muss. Ein Alleinverdiener sollte schon Erbe sein, um eine Familie ernähren zu können. Abgesehen davon, dass ein Paar heute nicht mehr weiß, ob der Arbeitsplatz auch bis zur Rente sicher ist.
In Deutschland aber walten nach wie vor Strategien, die in verschiedene Richtungen weisen. Einerseits setzt der Staat mit dem Kitabau Anreize für weibliche Berufstätigkeit. Andererseits ermutigt er Mütter mit dem Ehegattensplitting zum Zuhausebleiben. Umso fataler ist da der Rückfall ins Gießkannenprinzip, der derzeit in der Politik diskutiert wird. Die "Herdprämie" für Mütter, die ihre Kinder zu Hause betreuen, wird selbst in fortschrittlichen CDU-Kreisen erwogen. Auch der Gedanke, das Kindergeld vorzeitig zu erhöhen, findet Anhänger. Doch genau hier lauert die alte Falle. Solange die Mittel knapp sind, muss die Politik Prioritäten setzen. Beruf und Familie besser ineinandergreifen zu lassen - das ist der wirklich wichtige Schritt fürs Kindswohl.
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