Kommentar Familienpolitik-Studie: Betreuungsgeld spaltet
Eine Studie zeigt, dass die „Herdprämie“ Ungerechtigkeit verstärkt. Und sie zeigt, wie Fakten von politischen Parteien im eigenen Sinne ausgelegt werden.
E s ist keine überraschende Nachricht, aber doch eine bedeutende, die ForscherInnen jetzt bekannt gegeben haben: Das Betreuungsgeld trägt mit dazu bei, dass sich dieses Land weiter spaltet in Arm und Reich, in Gebildete und Ungebildete, in Aufsteiger und Absteiger. Unzählige Studien und unzählige Experten hatten vor der „Herdprämie“ heftig gewarnt, bevor sie im Sommer des vergangenen Jahres eingeführt wurde.
Die KritikerInnen stützten sich unter anderem auf Erfahrungen aus den skandinavischen Ländern, wo es ähnliche Sozialleistungen schon länger und mit ähnlichen Ergebnissen gibt. Vor allem migrantische und bildungsferne Familien entscheiden sich für ein bisschen mehr Geld und gegen Bildung für ihre Kinder.
Möglicherweise fühlen sich jetzt jene bestätigt, die schon immer meinten, dass manche Eltern Hartz IV, Kindergeld und eben auch die „Herdprämie“ versaufen und darüber ihre Kinder vergessen. Klischeedenken wie dieses bringt die Debatte um soziale Ausgrenzung allerdings nicht weiter. Vor allem ändert es nichts an der Tatsache, dass ein familienpolitisches Instrument, das positiv wirken sollte, genau das Gegenteil produziert.
Was wirklich gebraucht wird, sind echte Bildungsangebote: keine läppischen 150 Euro im Monat, sondern genügend und kostengünstige Kitas sowie Anlaufstellen für Eltern, die Hilfe brauchen. Dort, wo es so etwas heute schon gibt, beantragen auch weniger Familien Betreuungsgeld.
Und noch etwas zeigt die Meldung exemplarisch: Wie Fakten im eigenen Sinne ausgelegt werden können. In diesem Fall sogar konträr: Während die Opposition sich in ihrer Kritik an der „Herdprämie“ bestätigt fühlt, erkennt die CSU darin eine „Erfolgsgeschichte“. Ein Zeichen dafür, dass es häufiger um Selbstdarstellung geht und seltener um die Betroffenen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel