Kommentar Fall Brender: Das Stimmvieh ZDF
Im Fall Brender ist das Verhalten der so genannten gesellschaftlichen Gruppen in den ZDF-Gremien ein Skandal. Sie haben die Pflicht, die Gesellschaft zu vertreten.
Manchmal wirft der Blick zurück ein erhellendes Licht auf die Zukunft. 1961 sollte mit einem zweiten Sender neben der ARD vor allem eines gesichert werden: die politischen Einflussmöglichkeiten der damals regierenden Union. Was mit dem "Adenauer-Fernsehen" nicht gelang, will heute der ZDF-Verwaltungsrat erreichen.
In der derzeit so umkämpften Ablösung von ZDF-Chef Nikolaus Brender geht es um die Frage, wem der öffentlich-rechtliche Rundfunk eigentlich gehört: der Politik oder der Gesellschaft, also uns allen? Die Person Brender spielt dabei gar keine Rolle. Sie ist nur Symbol im Kampf um Macht und Geld. Ein Kampf, der in der aktuellen Medienkrise immer emotionaler gefochten wird.
Ines Pohl ist Chefredakteurin der taz.
Der Schaden, den die Union mit ihrem versuchten Durchmarsch gegen Brender anrichtet, ist immens. Neben den Printmedien zählen die öffentlich-rechtlichen Sender noch immer zu den wichtigsten Politikvermittlern.
35 namhafte Juristen erklären überzeugend, dass das ZDF schon lange nicht mehr staatsfern zusammengesetzt und damit nicht mehr verfassungskonform ist. Dass sich nun über alle politischen Lager hinweg bislang nicht einmal die nötige Minderheit - man braucht ja gar keine Mehrheit - für den Gang nach Karlsruhe findet, zeigt, wie sehr die Gremien bereits auf Linie gebracht worden sind.
Und so ist nicht nur das intrigante Vorgehen von Roland Koch skandalös, sondern vor allem das Verhalten der sogenannten gesellschaftlichen Gruppen in den ZDF-Gremien. Sie haben die Pflicht, die Gesellschaft und deren Interessen zu vertreten. Ihr Stillhalten belegt indes, dass sie sich längst zum politischen Stimmvieh haben degradieren lassen. Dass sie zur Causa Brender so beredt schweigen, sagt alles. Das ist der Skandal.
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