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Kommentar Facebook-PartysAuf der Autobahn des Irrsinns

Kommentar von Malte Welding

Innenminister der Länder fordern ein Verbot von Facebook-Partys. Als Stimme der Vernunft tritt ihnen einer entgegen, von dem man es am wenigsten erwartet hätte.

Alles Verbrecher? Facebook-Party in Wuppertal. Bild: dpa

M an weiß, dass eine Debatte ihren Höhepunkt überschritten hat, wenn Wolfgang Bosbach die Stimme der Vernunft ist. Von Bosbach stammt immerhin der Satz, niemand könne "das Recht geltend machen, unerkannt durch die Stadt zu gehen".

Nun aber mahnt Bosbach zur Besonnenheit und weist darauf hin, dass man ja schließlich auch Fußballspiele nicht verbiete. Wie kommt es, dass Bosbach so einen durch und durch genauen und vernünftigen Satz sagt? Er wurde auf der Autobahn des Irrsinns überholt.

Drei Landesinnenminister haben das Verbot von Facebook-Partys gefordert. In den vergangenen Wochen sind mehrere Blumenkübel durch außer Kontrolle geratene Partys, die auf Facebook angekündigt worden waren, beschädigt worden.

Bild: privat

MALTE WELDING ist Blogger, Journalist und Buchautor. Er lebt in Berlin.

Um über die Gefahren von Facebook aufzuklären, sei ein Internetführerschein nötig, sagte der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann, den Freunde "Schiebi" nennen.

Der Führerschein könnte in Schulen erworben werden, wo Lehrer an antiken Commodore-Maschinen ab Herbst 2021, wenn der Lehrplan auf die neuen Bedürfnisse abgestimmt worden sein wird, Kindern erklären werden, dass es einmal etwas gab, das Facebook hieß, ein Netzwerk von Menschen mit Digitalkameras.

Bosbach, dessen bisherige politische Glanzleistung die Forderung nach einem Verbot von Paintball war, gefällt sich in seiner Rolle als Elder Statesman der CDU. Ob man Veranstalter von Facebook-Partys grundsätzlich als Störer qualifiziere, sei "eine grundsätzliche rechtliche Weichenstellung".

"Grundweiche Rechtsstellungen"

Vor kurzem war ich auf einer Party, ein Bekannter wies darauf hin, dass er Amerikaner sei. "Wenn ich irgendwo in eine Schlägerei gerate, kommt gleich die CIA mit einem Hubschrauber und holt mich da raus", sagte er. "Aber das kann doch gar nicht sein, woher sollen die das denn wissen?", fragte die Gastgeberin.

So wie diese Gastgeberin verhält sich Bosbach. Jemand steht knietief im Sommerloch und brüllt ein paar haltlose Forderungen, und Bosbach schnallt die Brille etwas fester und doziert über "grundweiche Rechtsstellungen", "unausweichliche Turnübungen" und "rechtsdrehende Folsäuren".

Er versteht den Witz nicht. Landesinnenminister reden da, nicht etwa Fußballerinnen oder Soapstars. Landesinnenminister. Was die aus ihren Kneipen herausrufen, kommentieren normalerweise nicht einmal ihre Ehefrauen. Wo bleibt Bosbachs tiefsinnige Erklärung, dass man schließlich auch nicht Postkarten verbiete, und wann kommt seine Betrachtung "Warum ich manche Dinge verbieten will und manche nicht" endlich in die Buchläden?

Nach dem Sommer erst, bis dahin ist Loch. Und wenn doch wenigstens die Sonne einmal schiene.

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10 Kommentare

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  • A
    agtrier

    "Internetführerschein" wäre eine tolle Sache - für Politiker erst mal.

     

    Wer nicht weiß, was ein "Rickroll" ist, und wie man einen Server "Slashdotted" sollte sich erst gar nicht zur Wahl stellen dürfen.

     

    Was die Kids betrifft: die haben gewöhnlich mehr Ahnung davon als der gemeine Polit-Profi. Von ihren Lehrern ganz zu schweigen.

  • TU
    The User

    Was soll da eigentlich verboten wären? Ein billiges Stück Software? Es gibt ja wohl haufenweise Möglichkeiten sich zu verabreden, wenn man die alle abschafft (also ungefähr das ganze Internet, wie z.B. EMail, private Websites (da könnte ja stehen, dass man feiert), die Taz-Seite mit ihren Kommentaren und den Rest, wo nicht staatlich autorisierte Personen schreiben können), dann geht das natürlich…

  • ZE
    Zur Erinnerung

    Erstaunlich, daß die Katastrophe vom Duisburger Liebesmarsch schon vergessen zu sein scheint. War dort nicht auch die relative Tatenlosigkeit der Polizei für das Geschehen verantwortlich? Und natürlich das Verhalten der Raver. Und nach wem wurde nach der Katastrophe gerufen? Genau:Nach den Verantwortlichen.

     

    Und das soll bei den facebook-parties dann anders sein? Na mal sehen.

  • RA
    Rott and Roll

    Au weia. Zusammenrottungen. Naja es gibt wohl noch das Bürgerrecht der Versammlungsfreiheit oder ist das schon totgeknüppelt worden ? Was Facebook angeht : nur eine Ansammlung von Bildchen wo Pipi und Kaka zeigen wie toll sie sind. Eine Mode, ein virtuelles Poesiealbum. Ich bin Dein Freund, wenn Du mein Freund bist. Der Hype ist bald vorbei. Wer erinnert sich noch an Suchmaschinen wie Altavista oder Anbieter wie AOL ? Das Netz lebt nur von kurzen Hablwertzeiten. Facebooks Tage sind gezählt.

  • R
    Robert

    Was wäre denn passiert, wenn die Polizei die "Party" z.B. dieser Tessa nicht abgesagt und überwacht hätte? Alles nur harmlose Späße?

    Ich hätte da erhebliche Zweifel. Ich erinnere mich noch gut an den Liebesmarsch in Duisburg. Erst hat die Polizei gestört, dann alles falsch gemacht. Und zu guter Letzt ist sie schuldig.

    Na, egal. Wir werden es erleben, was geschieht, wenn sich demnächst dann ein paar tausend Menschen ohne jede organisierten Verantwortlichkeiten zum Zwecke des "Feierns" zusammentun.

  • T
    TheloneousHonk

    ...In den vergangenen Wochen sind mehrere Blumenkübel durch außer Kontrolle geratene Partys, die auf Facebook angekündigt worden waren, beschädigt worden...

     

    gosh; you guys really know how to party like it's 1988.

  • RB
    Rob B.

    "Innenminister" - sind das nicht die Schlauköpfe, die letztes Jahr World of Warcraft als Ballerspiel verbieten wollten?

  • P
    Patriotenarsch

    Heute Facebook Partys, morgen generelles Verbot von "Zusammenrottungen"! Das wird hier genauso wie in China, über das sich alle aufgeregt haben!

    HIer wird wieder einmal von Politikern unsere Verfassung und Grundrechte mit Füßen getreten.

    Bereitet man schon vor etwas gegen Proteste und Großdemonstrationen der Bürger bei kommenden unpopulären Maßnahmen im Bereich der Wirtschaftkriese hier in Deutschland zu unternehmen.

    Man möchte keine Demos a la Griechenland oder Spanien oder gar Nordafrika. Da kommen chaotische Facebookpartys als Sündenbock und propagandistisches Einstimmen der Spießer hier gerade recht.

    Meiner Meinung nach sind Griechenland und Spanien sowieso nur Forschungsobjekte über das Verhalten von Bürgern in Kriesenzeiten. Man will in der Bekämpfung der Bürger und Aufstände lernen.

  • MH
    Mario H.

    Ein Internetführerschein ist eine gute Idee. Zunächst sollten ihn aber alle Politiker (etc.) haben, die "gute" Ideen zum Thema Internet vorbringen...

  • T
    tazitus

    Wenn schon Diffamierung, dann doch bitte FußballerInnen. :-)