Kommentar FDP: Westerwelles ratlose Offensive
Der Abstieg der FDP vom Wahlsieger zum irrlichternden Verlierer ist rasend schnell verlaufen. Die Defensive scheint den Außenminister zu überfordern, wie sein jüngster Fehltritt zeigt.
Die FDP ist die Partei der Geschwindigkeit. Ihre Spitzenvertreter reden vom "Reformmotor", dessen Kraft den "Reformstau" aufbrechen werde. Derlei Floskeln rund ums Tempo haben binnen hundert Tagen eine neue Bedeutung gewonnen: Der Abstieg der Partei von der großen Wahlsiegerin zur irrlichternden Verliererin ist rasend schnell verlaufen. Die Schuld an diesem Niedergang trägt nicht die Union, die nach Kräften die Kopfpauschale sabotiert, sondern die FDP selbst.
Westerwelle hat für seine Partei in elf Jahren Opposition eine Kultur der Maximalforderungen entwickelt. Das Pöbeln, Drohen und Unterstellen wurde zum Alleinstellungsmerkmal und trug zum Wahlerfolg der FDP bei. Heute, als Regierungspartei, ist die Partei hilflos. Die Defensive, selbst das Finden von Kompromissen scheint den Außenminister zu überfordern. Das erklärt auch die beiden jüngsten Fehltritte der Koalitionäre.
Da ist der Streit um die Kopfpauschale: Wolfgang Schäuble lässt - für die Opposition! - en detail berechnen, dass das FDP-Prestigeprojekt unbezahlbar sei. Das ist ein grobes Foul des Defensivspielers im Finanzministerium, um den Angriff des taktisch miserablen, aber hoch motivierten Gesundheitsministers Philipp Rösler zu Fall zu bringen. Spätestens damit hat sich alles Gerede über die vermeintliche "Wunschkoalition" erledigt.
Auch Westerwelles Äußerung, die Diskussion über die Höhe von Hartz IV lasse die Mittelschicht links liegen, sind Ausdruck seiner wachsenden Ratlosigkeit. Wenn schon fast alle gegen mich sind, so das immer gleiche Kalkül des FDP-Chefs, dann binde ich die wenigen Sympathisanten umso stärker an mich. Das klappt nicht mehr. Doch niemand in der FDP vermag den Parteichef davon abzuhalten. Westerwelles parteiinterne Macht ist Ursache für die Ohnmacht der FDP.
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