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Kommentar FDP und SteuernPolitik ist gebrochenes Versprechen

Kommentar von Ralph Bollmann

Regieren bedeutet, notfalls die eigenen Glaubenssätze über Bord zu werfen. Die Einführung einer Transaktionssteuer ist das für die FDP, was die Agenda 2010 für die SPD war.

S pätestens seit Dienstag ist klar, dass auch die FDP ein Grundgesetz der Politik nicht außer Kraft setzen kann: Regieren bedeutet, notfalls die eigenen Glaubenssätze über Bord zu werfen. Ein Außenminister der Grünen führte die Deutschen in ihren ersten Kriegseinsatz seit 1945, ein SPD-Kanzler räumte mit den Hartz-Reformen soziale Errungenschaften ab, eine CDU-Ministerin verbannte das konservative Familienbild in die politische Rumpelkammer.

Dass die FDP ausgerechnet zu dem Zeitpunkt an die Regierung kam, zu dem der Glaube an die freien Märkte geschwunden war - das ist vor diesem Hintergrund keineswegs ein Irrtum der Geschichte, sondern deren ausgleichende Gerechtigkeit. So gesehen ist dem Wählervotum vom Herbst eine Weisheit nicht abzusprechen.

Eine Mitte-links-Regierung hätte mit einer Regulierung der Finanzmärkte, wie sie jetzt in Deutschland und Europa wenigstens zaghaft in Gang kommt, den wütenden Protest nicht nur der Opposition, sondern auch des gesamten Wirtschafts- und Bankenmilieus heraufbeschworen. Jetzt ist es die FDP, die sich von ihrem eigenen Programm verabschieden muss. Sie tut es unter dem Zwang der Umstände, widerwillig und ohne jede argumentative Vorbereitung. Fast so abrupt, wie Gerhard Schröder einst seine Agendapolitik verkündete.

taz

RALPH BOLLMANN leitet das Parlamentsbüro der taz.

In beiden Fällen geschah der Kurswechsel unter dem Druck nicht nur eines drohenden wirtschaftlichen Zusammenbruchs, sondern auch des befürchteten Machtverlusts. Anders als damals die SPD muss die FDP heute zwar die Fünfprozenthürde fürchten, mangels Masse aber nicht die Entstehung einer neuen Interessenpartei - zumal der Finanzbranche andere Kanäle der Einflussnahme offen stehen.

Die Forderung nach einer Transaktionssteuer ist vorerst nicht mehr als symbolische Politik, solange es auf internationaler Ebene keinen Konsens darüber gibt und die Europäer zu einem Alleingang nicht entschlossen sind. Aber auch Symbole sind eben Politik. Erstaunlich an der Situation ist vor allem die Blindheit, mit der sich die Akteure in diese Situation hineinbegeben haben. Das betrifft allerdings nicht so sehr die Bundeskanzlerin, die mit dem allseits geforderten Machtwort wenig ausgerichtet hätte. Es gehört zum Wesen von Lernprozessen, dass sie stets von innen kommen müssen. Die Häutungen der FDP sind also nur konsequent.

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9 Kommentare

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  • HK
    Hans-Peter Krebs

    Die Verkoppelung von SPD (Hartz) und der FDP (Finanzmarktregulierung) ist eine ziemlich schlaue Analyse: die List der Vernunft!

  • T
    Texaner

    Gestern war es nach Meinung des Herrn Bollmann noch ein Jesuit:

    "Der Pater treibt die Kanzlerin" http://www.taz.de/1/zukunft/wirtschaft/artikel/1/der-pater-treibt-die-kanzlerin/

    Heute ist es der drohende Machtverlust kombiniert mit dem parlamentarischen Paradoxon. Und eine Regulierung der Märkte seitens einer simulierten SPD-Regierung hätte "wütende Proteste heraufbeschworen". Entschuldigung, das ist doch ein Schmarrn, von Weisheit ist da keine Spur. Vielleicht hat der Autor ja selbst die Gelben ... naja, ist natürlich Privatsache.

  • H
    hto

    "Dem Wählervotum vom Herbst ist eine Weisheit nicht abzusprechen."

     

    Der Kommentar liest sich wie (zwangs-)neurotisches Geschreibsel, auf der Suche nach ...!?

  • C
    Carla

    Nichts gegen Lernprozesse ... bei Hinz und Kunz.

     

    Doch müssten in diesen Positionen nicht endlich mal Leute "sitzen", die mindestens ausreichend und umfassend kompetent SIND und nicht ständig dubiose Ratgeber befragen müssen? Also eben nicht die "Generation Praktikum".

    ('Ausreichend' bitte nicht als Note missverstehen.)

     

    Bei uns kümmern sich vorwiegend JuristInnen, LehrerInnen, BerufspolitikgerInnen um Wirtschaftsthemen und dies auch noch einseitig zu Lasten der Menschlichkeit.

    Und auf die, die wirklich Wirtschaftskompetenz besitzen, wird nicht gehört.

  • R
    rofl

    Unsere sogenannte linke Presse rollt den neoliberalen Lügnern und Wahlbetrügern noch schön den roten Teppich aus.

    Dass weder ALG 2 (gewöhnt euch übrigens endlich mal euren peinlichen Bildzeitungstonfall ab), noch dieses mehr als lächerliche Finazmarktgesetz irgendeinen nachweisbaren POSITIVEN Effekt haben, konnte man vor lauter Arschkriecherei und T.I.N.A. wohl nicht erwähnen, wie?

    Bleibt nur zu hoffen, dass man sich zu gegebener Zeit eurer Großtaten erinnert und ihr dafür gebührend zur Rechenschaft gezogen werdet.

  • S
    Sunpoint

    Stimmmt: siehe Gyurcsánys der Held in Ungarn !

  • C
    claudia

    Die Agenda2010-Regierung folgte der Einsicht, daß diejenigen, die auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen sind, ärmer werden müssen, wenn Bereicherung der Besitzenden fortlaufend gesichert werden soll.

     

    Die FDP folgt der Einsicht, daß man manchmal das System, von dem ihre Klientel profitiert, vor sich selber schützen muß.

     

    Da ziehen durchaus Beide am gleichen Strang, nur an unterschiedlichen Stellen.

     

    Die FDP wird ihr "Umfallen" vermitteln können.

    Die Agenda2010-Parteien können die katastrophalen Folgen für einen großen der Bevölkerung nur weglügen.

    Das ist der Unterschied.

  • A
    Agora-Direct

    Die Einführung des Euro ist und war richtig. Die dazu vereinbarten Regeln waren und sind schwach und als Allerletztes hält sich die Politikerkaste daran und schickt sehenden Auges als Verantwortliche den Euro in die Krise. Und nun soll eine imaginäre Masse an Spekulanten an der Situation schuld sein. Zugegeben, diese haben unverblümt die Situation genutzt, sind aber nicht die Täter. Womit soll nun wieder Geld hereingeholt werden? Mit einer Finanztransaktionssteuer, die ausschließlich nur wir Bürger bezahlen. Aber nicht einen Cent zahlt davon eine Bank oder ein Fonds. Im Gegenteil: Die Banken werden noch daran verdienen, da diese auf die an den Bürger durchgereichten Finanzsteuer noch einen Verwaltungsanteil oben drauf packen. Diese Finanzsteuer wird bei jedem Geldabheben oder einer kleinen Einzahlung der Großeltern auf des Enkels Konto anfallen. Das ist moderne Wegelagerei. Diese Politiker und diejenigen die dennen das Wort reden sind an Zynismus kaum zu überbieten.

  • K
    Katevh

    Wenn Ralph Bollmann schreibt, vor der Umsetzung der Agenda-Politik habe Deutschland vor dem ökonomischen Kollaps gestanden, dann ist das einfach fürchterlicher Unsinn! Die damalige wirtschaftliche Situation ist nicht im entferntesten mit der heutigen Notlage zu vergleichen. Es handelte sich um nichts anderes als einen Abwärtszyklus in der Weltkonjunktur, der propagandistisch überbewertet wurde, damit man einen Niedriglohnsektor in Deutschland etablieren konnte. Rechtzeitig vor der zur erwartenden Erholung wurde die Agenda durchgepeitscht, um ihr auch noch einen Erfolg zuzuschreiben, der eigentlich nur der wiedererstarkten globalen Nachfrage geschuldet war. Tatsächlich führte die Agenda-Politik dazu, dass der Aufschwung kaum Reallohnzuwächse erbrachte, also volkswirtschaftlich kein richtiger Aufschwung mehr war.