Kommentar Explosive Paketpost: Zeit für eine Evaluation
Die Lehre aus den Paketbomben darf nicht nur sein, Kontrollen zu verschärfen. Die gesamten Anti-Terrormaßnahmen gehören auf den Prüfstand.
B ERLIN taz Es ist bizarr. Seit knapp zehn Jahren werden im Kampf gegen den Terrorismus die Bürgerrechte beschnitten. Passagierlisten werden gespeichert, Antiterrordateien angelegt, rastergefahndet und Daten auf Vorrat gesammelt. An Flughäfen wurden den Passagieren Tonnen an harmlosen Flüssigkeiten weggenommen, und vor kurzem wurden auch noch Körperscanner eingeführt. Während der Mensch längst gläsern geworden ist, zeigen per UPS verschickte Paketbomben aus dem Jemen und Griechenland nun, wie lax bisher offenbar mit der Luftfracht umgegangen wurde.
Es ist absehbar, was jetzt kommen wird. Die Kontrollen bei der Luftfracht werden verschärft werden. Das wird die Wirtschaft etwas mehr kosten, darüber wird sie jammern, aber sie wird es verkraften. Vielleicht wird Deutschland dadurch etwas sicherer werden. Wahr bleibt aber auch: Anschläge werden sich nie ganz verhindern lassen, schon gar nicht wenn sie sich gegen "weiche Ziele" richten, in U-Bahnen oder auf öffentlichen Plätzen.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, die Sicherheitsdateien und das umstrittene BKA-Gesetz zu evaluieren und zu überprüfen, "ob und inwieweit der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung zu verbessern ist". Wenn sie aus dem Paketbomben-Fall eine Lehre ziehen will, dann müsste sie die gesamten Anti-Terror-Maßnahmen der vergangenen Jahre überprüfen lassen - und zwar von unabhängigen Experten. Kann sein, dass die herausfinden, dass es noch Sicherheitslücken gibt - wie bis jetzt bei der Luftfracht. Es könnte aber auch sein, dass sie feststellen, dass manche Einschnitte in die Bürgerrechte in keinem Verhältnis zum Sicherheitsgewinn stehen. Jetzt wäre der Zeitpunkt für eine Evaluation.
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