Kommentar Eurorettung: Seehofers gefährliches Spiel
Der CSU-Parteichef hat wenig mehr zu verlieren als seine Macht in Bayern – und wird deshalb wohl bis zur Landtagswahl gegen die Eurorettung stänkern.
N un also auch die CSU. Angela Merkels bayrische Schwesterpartei hat sich eingereiht in die wachsende Schar der Eurorettungsskeptiker in der Union. Kurz vor der Bundestagsabstimmung über Merkels Pläne im September formuliert sie jetzt allerlei Bedenken und Bedingungen – bis hin zur Forderung, Griechenland und andere Schuldenstaaten gegebenenfalls aus der Eurozone rauszuschmeißen. Muss man das wirklich ernst nehmen? Ja und nein.
Es ist nicht zu erwarten, dass die CSU den Eurorettungsschirm ernsthaft blockiert, denn damit würde sie das Ende von Merkels Kanzlerschaft besiegeln. Alles spricht dafür, dass sich die Bayern wie die anderen Abgeordneten der Union am Ende zusammenreißen und im Bundestag zustimmen – schon aus purem Eigeninteresse, denn bei Neuwahlen dürfte die CSU-Landesgruppe in Berlin wohl arg dezimiert werden.
Auch wird die CSU kaum dafür verantwortlich sein wollen, deutsche Zusagen zu brechen und damit alle EU-Partner endgültig vor den Kopf zu stoßen. So weit sind die bayrischen Drohgebärden also eher ungefährlich für Merkel und ihre Pläne zur Eurorettung.
LUKAS WALLRAFF ist Chef vom Dienst der taz.
Spannend wird es aber nach dem Bundestags-Showdown im September – spätestens dann, wenn weitere Schuldenkrisen, weitere Rettungspakete und noch höhere deutsche Beiträge anstehen. Was die CSU so unberechenbar macht, ist ihr erratischer Parteichef. Horst Seehofer hat es sich als Alleinherrscher in Bayern gemütlich gemacht und hegt nach allem, was man weiß, keine bundespolitischen Ambitionen mehr – das unterscheidet ihn von seinen Vorgängern wie Edmund Stoiber, Theo Waigel und Franz Josef Strauß. Diese waren der weiteren Karriere zuliebe im Zweifel bereit, Kompromisse einzugehen.
Die Rauflust der CSU wurde immer gebremst, wenn einer der ihren Kanzler werden wollte – wie zuletzt ein gewisser Karl-Theodor zu Guttenberg, der sich mit betont staatsmännischer Attitüde zu profilieren versuchte.
Seehofer jedoch hat wenig mehr zu verlieren als seine Macht in Bayern. Als erklärter Populist dürfte er darum bis zur Landtagswahl 2013 keine Gelegenheit verstreichen lassen, das Unbehagen gegen weitere deutsche Hilfen für Schuldenstaaten mit ressentimentbeladenen Sprüchen zu verstärken. Die Kollateralschäden nimmt er billigend in Kauf. Für Merkel wird es dadurch noch schwieriger, eine mutige und nachhaltige Europapolitik durchsetzen.
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