Kommentar Eurorettung: Expertisen statt Devisen
Bisher war es gut, dass der IWF an der Eurorettung beteiligt ist. Er bremst den Sparwahn der Europäer und warnt davor, dass der Fiskalpakt die Rezession verschärft.
D ie Eurokrise hat eine Kuriosität hervorgebracht, die vor allem den Schwellenländern auffällt: Europa ist der reichste Kontinent der Erde – doch ausgerechnet die Eurozone beansprucht jetzt Hilfen vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Zu Recht wundern sich die Schwellenländer, warum sich Europa nicht selbst retten kann.
Die Antwort auf dieses scheinbare Rätsel ist: Europa hilft sich ja selbst, es soll nur nicht so aussehen. Das Engagement des IWF ist reine Maskerade, soweit es um die monetären Hilfen geht. Das beginnt schon damit, dass das IWF-Geld, das nach Europa fließt, aus Europa stammt. Erst kürzlich haben die Eurostaaten zugesagt, weitere 150 Milliarden Euro für den IWF zur Verfügung zu stellen.
Darüber hinaus ist der IWF ein „vorrangiger Gläubiger“. Dieser technische Begriff besagt, dass die IWF-Kredite zuerst zurückgezahlt werden, falls ein Eurostaat Bankrott anmelden muss. Übersetzt: Die Eurostaaten tragen das Risiko der Eurorettung ganz alleine. Im Zweifel bleiben sie auf den Verlusten sitzen, nicht der IWF.
ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.
Daher stellt sich als einzig interessante Frage, warum der IWF überhaupt in Europa unterwegs ist? Drei Motive lassen sich ausmachen. Erstens: Die Wähler sollen ruhig den falschen Eindruck gewinnen, dass auch andere Institutionen für die Eurokrise zahlen. Diese kleine Lüge macht es für die Regierungen einfacher, die Rettungspakete durchzusetzen. Zweitens: Wenn sich 17 Euroländer einigen müssen, ist es hilfreich, wenn ein Außenstehender eingreift. Und drittens: Der IWF bringt Expertise mit. Für die Europäer ist es neu, mit Staatspleiten umzugehen – der IWF hingegen hat fast immer mit Bankrotteuren zu tun.
Bisher hat es sich jedenfalls als segensreich erwiesen, dass der IWF an der Eurorettung beteiligt ist. Denn er bremst die Europäer in ihrem Sparwahn und warnt davor, dass der Fiskalpakt die Rezession verschärft. Als Geldgeber ist der IWF überflüssig – aber als Ratgeber ist er unersetzlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml