piwik no script img

Kommentar Europas LinkeReißt euch zusammen

Kommentar von Martin Schirdewan

Populär, verständlich, klassenbewusst. Europa braucht endlich eine geeinte Linke. Ein EU-Politiker der Linken kommentiert.

Europäische Union: Der Autor setzt auf ein offenes, ein linkes Europa Foto: dpa

W ährend das wirtschaftsliberale Europa noch krisenbenebelt vor sich hin torkelt und Deutschland sich auf einen Winterschlaf ohne Regierung einstellt, feiert die europäische Rechte fröhliche Urständ. Sie gewinnt fleißig Wahlen, jüngst in Österreich und Tschechien, indem sie Nation und Kultur beschwört, Migrantinnen und Asylsuchende zu Menschen zweiter Klasse degradiert, Frauenrechte schleift, die Umwelt der Industrie überlässt und überhaupt die Frage nach der Zukunft Europas mit einem Zurück in die Vergangenheit beantwortet.

Und die Linke, europäisch wie deutsch? Ringt mit sich um ihre Position zur Zukunft der EU, den Verträgen, auf denen diese rechtlich basiert, den Fehlkonstruktionen der Eurozone. Bis zum Streit. Das ist zwar gelegentlich feines Entertainment, aber für die Wählerinnen doch eher langweilig.

Mehrheitsfähigkeit und damit Gestaltungsmacht erwächst auch für die Linke aus überzeugenden Inhalten. Die Gesellschaft der Zukunft, das Hoffnungsversprechen an die kommenden Generationen gründet auf einer Idee für die Arbeits- und Lebenswelt der Zukunft, angesichts von Digitalisierung, neuen Technologien und der wachsenden Akzeptanz für neue Lebensweisen.

Die Linke kann – und sie hat die historische Pflicht – diese Idee erzählen. Populär, verständlich und klassenbewusst. Einerseits EU-institutionenkritisch, andererseits europäisch-internationalistisch. Gesellschaftliche Entwicklung basiert noch immer auf Widersprüchen.

Martin Schirdewan

ist seit diesem Herbst für Die Linke Mitglied des Europäischen Parlaments und dort u. a im Econ, im Ausschuss für Wirtschaft und Währung, tätig.

Dem Nein zu demokratischer Ohnmacht, zur Allmacht der Märkte, zur sozialen Spaltung der Gesellschaft und unterschiedlicher Wertigkeit von gelebtem Leben und Existenzen folgt ein Ja. Ein Ja zur Ermöglichung auskömmlicher Arbeit für alle Europäerinnen und Europäer, dem Schutz öffentlichen Eigentums, würdevollen Wohnens, zukunftsfähiger Bildung, sicherer Altersvorsorge, der Energie der Zukunft, dem Leben in einer gesunden Umwelt, gelebter Diversität. National und transnational. Das kann nur eine geeinte Linke schaffen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Die Linke ist momentan nicht hegemonial und es gibt in der Mitte bis nach Rechts Hegemonie für den Neoliberalismus. SPD-Hoffnungsträger Scholz steht unbarmherzig für eine neoliberale Ausrichtung der SPD, macht das praktisch in Hamburg und schafft dadurch immer mehr Arme und Leid - aber konsequenzlos.

     

    Und da würde ich mal darüber nachdenken. Die Linke ist m.M. eine gute Partei, aber funktioniert die Partei auch gesellschaftlich?

    Schafft sie sich Milieus, schafft sie das Anhaften in den Stadtteilen? Schafft sie Gegenkultur?

     

    Ich glaube, dass die Linke als Spartenpartei wahrgenommen wird und dass die Partei es nicht schafft, die Dominanz des Neoliberalismus in den Medien zu brechen.

     

    Oder andersherum: Warum ist Olaf Scholz eine Hoffnung für die SPD, wenn die eigentlich für ihre neoliberale Ausrichtung stetig Schläge einstecken muss?

     

    Warum verfestigen sich rechte Politiker in der SPD so gut?

     

    Offenbar gibt es gar keinen Druck in der Gesellschaft, der nach Links zwingt. Und das müsste die Linke doch schaffen.

     

    Noch nie gab es so viele schlecht-bezahlte Arbeitsstellen, waren so viele Menschen von Altersarmut und damit verbunden massiver Ausgrenzung betroffen und es werden sogar immer mehr.

     

    Viele Migranten verlieren im Bildungssystem massiv - protestieren sie, kämpfen sie für ihre Rechte? Kämpfen sie mit den Linken zusammen für Gerechtigkeit? Nein, das tun sie nicht, nur auf Mikro-Ebene passiert mal was, d.h. Eltern gehen zur lokalen Abgeordneten und reden.

     

    Die Massenwirkung fehlt. Ich würde mal den Tatsachen ins Auge blicken und überlegen, wie die LInke in der Gesellschaft zur Kraft wird, Sitze im Parlament bringen nur sehr wenig, es sei denn es sind 50 plus X. Ist das wahrscheinlich?

  • Ein bißchen arg viel von dem, für was alles die vereinigte Linke zuständig sein soll. Nennen wir es einfach bodenlose Hosianna Kultur. Das haben die Linken wie immer eindeutig ihrem christlichen Vorbild zu verdanken. Ich werde das gleich dem Steuerzahler sagen, ob er außer Finanzforderungen, Steuerschätzungen, Sanktionierbescheiden, Pfändungsbriefen, Haftbefehlen, Arbeitslosigkeit und Wohnungsentzug, Wucherzinsen und Gebühreneskalation bereit ist, für den erweiterten Lebensraum des linken total Ensembles weiter aufkommen zu müssen.

  • Eine Lösung: Hinschauen!

    NZZ: „Es sind 68 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht!

     

    Mich erstaunt, dass dies die deutschen Politiker erst nach der Wahl September 2017 erfahren haben.

    Asfa-Wossen Asserate beschreibt 2016 die neue Völkerwanderung: Wer Europa retten will, muß Afrika retten. Und Gunnar Heinsohn veröffentlicht am 20.01.17 den „Demographic War Index 2017 mit dem Ranking by country. Das Buch von Bernd Ulrich beschreibt, daß „der Westen am Beginn einer neuen Epoche sei“ unter dem Titel „Guten Morgen, Abendland!

     

    Dabei haben wir unsere nahe Zukunft bereits 1929 erlebt! Was uns blühen wird hat sich 2008 angekündigt. Wir haben diesen Weckruf ebenfalls ignoriert. Mir erscheint das Folgende Sinn-Voll zu sein:

    1) Hinschauen wo liegt die Ursache? Ich empfehle dazu die Schrift: „Failure by Design - The Story behind America’s broken Economy“ von Josh Bivens 2011 by Cornell University ISBN 978-0-8014-5015-0 e.g. „To light the disconnect between pay and productivity as a cause of growing inequality.

    2) Wie lässt sich Europa retten? | Mit Yanis Varoufakis https://www.youtube.com/watch?v=tO9r6DdfulE

     

    Deflation 1933 Früchte des Zorn =>

    Einsparungen aber keine Investitionen: New Deal

    - DiEM25

    TINA There is no alternative? Doch:

    - Einahmen aus der Automatisierung sind privat

    - Bedingungungslose universelle Grunddividende (Kapitalrenditen)

    - Kohlenstoff-Steuer für Sozial nützliche Tätigkeiten

    - Industrie und Klimawandel eine Steuer auf CO2 Emissionen

    - Innovation setzt Leute voraus, die gewöhnliche Arbeit verrichten

    Bewahrer unserer Gesellschaft, die alles am Laufen halten.

    - Überfluss und trotzdem wird nicht investiert Deflation wird exportiert „Praktische Vernunft“

  • "... Mehrheitsfähigkeit und damit Gestaltungsmacht erwächst auch für die Linke aus überzeugenden Inhalten. ..." - er spricht mir aus dem Herzen, ich sehe das genau so.

     

    Ein Weiteres muss allerdings hinzu kommen: nach meiner Einschätzung hatte die Partei "Die Linke" zur Bundestagswahl 2017 das konkreteste Programm zur Einkommensteuer. Nur im Wahlkampf kam es nicht rüber, es versank nicht nur auf Grund der vielen anderen Themen, sondern auch in dem innerparteilichen Gezänk zur Migration.

     

    Trotzdem bleibt richtig und unverzichtbar: "(...) erwächst aus überzeugenden Inhalten"!

     

    Und: "Das kann nur eine geeinte Linke schaffen", wenn sie sich vorher auf überzeugende Inhalte verständigt hat, und diese mit voller Kraft vertritt.

    • @Der Allgäuer:

      Problem ist eher das, dass was Linke als "überzeugend" betrachten die meisten normalen Wähler schreiend davon rennen lässt.

  • Mal Butter bei die Fische: Die "Erzählung" mal ins Konkrete drehen: Was will denn die europäische Linke, was nicht eh schon Politik der neoliberalen Parteien ist? Energiewende, offene Grenzen, quotierte Vorstandsposten, Masseneinwanderung, Islamisierung, Auslandseinsätze europäischer Armeen etc etc.

     

    Wer all das nicht will, dem bleibt ja nur noch eine Wahl.