Kommentar Europaparteitag der Piraten: Keine Kompetenz für Wirtschaft
Im Hinblick auf die Europawahl müssen sich die Piraten eingestehen: Zum Umgang mit der Wirtschafts- und Finanzkrise können sie wenig beisteuern.

D ie Wirtschafts- und Eurokrise schwelt weiter – doch die Piraten bleiben stumm. Beim Europaparteitag der Internetpartei wurde selbst der Name der Gemeinschaftswährung Euro über Stunden nicht erwähnt. Dem Großteil der rund 50 KandidatInnen für das Europäische Parlament waren Details der Finanzkrise, die den Kontinent zu spalten droht, kein einziges Wort wert.
Den Piraten mangelt es schlicht an Wirtschaftskompetenz – und Parteichef Thorsten Wirth gibt das auch zu. Er könne sich eben keine Parteifreunde backen, die sich intensiv mit dem Zusammenspiel von nationalen Regierungen, europäischen Rettungsschirmen und Zentralbank auseinandergesetzt haben, argumentiert der Softwareentwickler.
Zwar finden sich im Wahlprogramm Punkte, in denen ein Ende der Schöpfung von Buchgeld durch Banken und Sparkassen ebenso gefordert wird wie die Beteiligung der Staaten an notleidenden Geldinstituten, die mit Steuergeld gestützt werden müssen. Auch über einen direkten „Finanzausgleich“ zwischen dem vom Euro profitierenden Norden und dem von Arbeitslosigkeit und deflationären Tendenzen gebeuteltem Südeuropa denken manche Piraten nach. Mehr als erste Skizzen sind diese Ideen aber nicht. Im Kern bleiben die Piraten eine um Informationsfreiheit und die Bekämpfung der Macht der Geheimdienste kreisende Partei.
Strategisch muss diese Verengung nicht einmal falsch sein: Schließlich werden die deutschen Piraten selbst bei Überspringen der 3-Prozent-Hürde nur mit zwei oder drei Abgeordneten im Europaparlament vertreten sein. Die werden zwangsläufig nur die zweifellos wichtigen Kernthemen der Partei in die Öffentlichkeit tragen können – die Lösung der Wirtschafts- und Finanzkrise Europas gehört nicht dazu.
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Jan van Aken gegen Aufrüstungspolitik
„Die Position der Linken ändert sich nicht“
Sondierungen zwischen Union und SPD
Grenze für Grenzschließungen
Wahlbeteiligung bei Hamburg-Wahl
Wählen geht, wer Geld hat
CDU-Politiker boykottiert Radio Bremen
Zu links, zu grün, zu schlecht
Kopftuchstreit in Spanien
Glaube und Feminismus
Militante Gruppe „Das K.O.M.I.T.E.E.“
Rückkehr nach 30 Jahren