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Kommentar EurokriseFragwürdiges Finnenpfand

Reinhard Wolff
Kommentar von Reinhard Wolff

Finnland hat Anfang der 1990er Jahre eine schwere Schuldenkrise gut bewältigt. Aber so einfach, wie die Regierung behauptet, war es nicht.

W as galoppierende Staatsschulden sind, das weiß man in Finnland. Der Versuch, ein marodes Bankensystem zu retten, hatte Helsinki zu Beginn der 1990er Jahre in eine tiefe Schuldenkrise gestürzt. Für Staatsanleihen wurden Zinsen von bis zu 11,6 Prozent fällig, binnen vier Jahren stieg die Staatsverschuldung von 10 auf über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Hat Finnland, das sich bis zur Jahrtausendwende wieder einigermaßen aufgerappelt hatte und das Ratingagenturen jetzt gar als Klassenbester der Eurozone gilt, deshalb auch ein Rezept für die Krisenländer? Ausgabe von Bonds, die mit Staatseigentum besichert sind, empfiehlt Helsinki: Damit hätte man seinerzeit in Finnland beste Erfahrungen gemacht.

Womit Finnland seine damalige Staatsverschuldung tatsächlich vor allem wieder in den Griff bekommen hatte, war neben umfassenden Budgetkürzungen eine massive Abwertung der eigenen Währung mit einem dadurch ausgelösten Exportboom als Folge. Das jetzt von Finnland propagierte Pfandmodell spielte dagegen nur am Rande und in einem begrenzten Sektor eine Rolle: beim staatlichen Wohnbaufonds, den man juristisch aus dem Staatsbudget ausgliederte, damit er sich die notwenigen Kredite über verbriefte Wertpapiere selbst auf dem Kapitalmarkt besorgen konnte.

privat
REINHARD WOLFF

ist Skandinavien-Korrespondent der taz und lebt in Stockholm.

Es sind also Erfahrungen mit einem recht begrenzten und nicht unbedingt übertragbaren Modell, das Helsinki nun für die Besicherung von Staatsanleihen vorschlägt. Die Euro-Kritik in Schach halten und sich eine Mehrheit im Parlament für eine Zustimmung zu Hilfspaketen zu sichern: Darum dreht sich primär die finnische Debatte um Sicherheiten und die Konstruktion des „Finnenpfands“, die Absicherungen, die sich Helsinki für Kreditzusagen an Athen und Madrid geben ließ.

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Reinhard Wolff
Auslandskorrespondent Skandinavien und das Baltikum
Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.
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4 Kommentare

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  • S
    strooker

    @Staatsbürger: gelesen und unwidersprochen. Weiterführende Kommentare würden wohl leider den Themenrahmen sprengen ... gerne weiter bei einem anderen Artikel.

  • S
    Staatsbürger

    auch @strooker

     

    Wenn Sie die Daten Finnlands mit denen der anderen vergleichen, werden sie auf den Schluss kommen müssen, dass der staatsförmige High Road der Skandinavier erfolgreicher ist, als der Rest Europas.

     

    Zur Situation Finnlands in den 1990ern:

    Finnland hatte einen Modernisierungsrückstand aufzuholen, da der Rohstoffmarkt der UdSSR wegbrach. Aufgrund von Sonderbeziehungen (Finnlandisierung) mussten die Finnen quasi technologisch belangslose Rohstoffe liefern. Dieser Rückstand wurde aufgeholt! Wer kann so eine Leistung in Europa noch vorweisen?

    Zu den von strooker gemachten Beobachtungen der Verschuldungshöhe:

    Dass deren Entwicklung zyklisch ist, verwundert nicht. Aber welche Länder in Europa haben überhaupt zyklisch sinkende Staatsschulden? Deutschland? Griechland? Italien? Wohl kaum. Und schon gar nicht in diesem hohen Ausmaß. Es fehlt das Wissen und der Wille der Politik.

  • S
    strooker

    Was ich immer interessant finde, ist die Staatsverschuldung des Landes zu betrachten, über das gesprochen wird: http://www.stat.fi/tup/suoluk/suoluk_valtiontalous_en.html#debt (in Englisch).

     

    Ganz so schlimm wie 1997 ist sie nicht, aber ab 2009 ist die Verschuldung auch dort wieder gestiegen. So gut wie 1990 stand die Verschuldung übrigens seitdem nicht mehr. Das absolute Wachstum der Verschuldung bei gleichzeitigem Sinken oder Stagnieren der relativen Verschuldung (in Bezug zum BSP) deutet in den entsprechenden Jahren auf ein Wirtschaftswachtum hin.

     

    Insgesamt scheint der Schuldenabbau auch in Finnland länger zu dauern als der Schuldenabbau - was bei kurzen Konjunkturzyklen leider bedeutet, dass die Verschuldung nie verschwindet, sondern immer steigt. Dieses grundsätzliche Problem kann nur durch einen Crash gelöst werden. Ob das jetzt passiert (angedrohtes Ende des EUROS) oder später (vielleicht ebenso), wird man sehen.

     

    Die im Artikel http://www.taz.de/Krisenpolitik-in-Finnland/!99536/ angedeutete angelsächsische Lösung sehe auch ich kommen, da sie bisher die einzige Lösung ist, die funktioniert - zumindest kurz- und mittelfristig. Das Ende dieser Lösung können wir dann zu einem späteren Zeitpunkt in den USA beobachten. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir zumindest in einigen wirtschaftlichen Fragen den USA hinterherlaufen. Wir können also dorthin schauen und sehen wie diese Probleme in den USA "gelöst" wurden. Wenn uns nichts Besseres dazu einfällt, kopieren wir das eben - ist ja schon oft so gewesen. Mir wäre es auch lieber, wenn wir andere Lösungen finden könnten, aber es fehlt schlicht der wirtschaftliche Sachverstand oder der politische Wille.

  • S
    Staatsbürger

    Ersteinal war das finnische Sozialstaatsmodell auf einem wesenlich höherem Niveau als das des deuropäischen Durschnitts und damit auch die Steuern.

    Zweitens ist das finnische Sozialstaatsmodell und Wirtschaftsmodell immer noch weit über dem eruopäischen Durschnitt, auch über dem Niveau Deutschlands. Allein um die Bildungssausgaben einzuholen, bräuchten wir nach einer Studie der Max traeger Stiftung jährlich 57 Mrd Euro. Dass in Finnland auch die Nachfrage stets hoch ist, liegt daran, dass die Beschäftigten Reallohngewinne erhalten und der große, leistungsorientierte Staatssektor, der Grundvorraussetzung für eine zukunftssichere Sozioökonomie darstellt, genügend nachfragt.

    Weder die Nachfrage durch Staat und Beschäftigte, noch die nötigen Steuern, schon gar keinen gerechten und leistungsorientierten Sozialstaat oder überhaupt gar die Steuern dafür hat Deutschland. Die Südläander der Eurozone unterscheiden sich von Deutschland im übrigen durch die noch höhere Korruption und eine nicht wettbewerbsfähige Wirtschaft. Hieran sind nebem dem Dumpingwettbewerb aus Deutschland (Agenda 2010 etc.) auch die durch die europäischen Nordstaaten veranlassten Öffnungen zur chinesischen Billigkonkurrenz schuld.

     

    Zurück zu Finnland:

    Finnland vereint die besten Stücke der Nachfrage und der Angebotspolitik, während Deutschland sich und die Eurozone durch preisorientere Exportpolitik und Austeritätpolitik, bei der immer nur die Starken überleben, destabilisiert und die Südländer sich munter verschulden und nicht immer alles richtig machen. Ziel der Politik ist es deshalb, das Steueraufkommen zu erhöhen und zusätzlich die sehr wohl in Kulturveränderungen möglichen Vorraussetzugnen in Gesellschaft und Wirtschaft zu schaffen. Mit Abwehrreflexen kommt man da nicht weiter.