Kommentar Erschossener Journalist: Mitten in Europa
Immer wieder bricht ungläubliges Staunen aus, wenn ein Opfer der Mafia zu beklagen ist. Solidarität ist nicht erst angebracht, wenn jemand tot ist.
Auf dem Weg zum Tatort: Spurensicherung im slowakischen Velka Maca Foto: dpa
Folge dem Geld. Das war die bahnbrechende Maxime der Anti-Mafia-Ermittler Giovanni Falcone und Paolo Borsellino. Nicht zuletzt deshalb ließ die Cosa Nostra sie 1992 ermorden.
Dass sich seitdem, insbesondere in Italien, nichts zum Positiven verändert hätte, an zivilgesellschaftlichem Engagement und an staatlich-repressiven Mitteln gegen die Organisierte Kriminalität – das zu sagen wäre falsch und respektlos gegenüber den vielen Opfern der Mafien.
Aber es ist doch schwer zu erklären, warum jedes Mal, wenn wie im Fall der Morde am slowakischen Journalisten Ján Kuciak und seiner Partnerin Martina Kušnirova, die Spur zu einer Mafiaorganisation zu führen scheint, erst einmal ungläubiges Staunen ausbricht.
Die vielfach bewiesene Tatsache, dass die 'Ndrangheta eine Organisation ist, die ihr archaisches Modell aus Kalabrien an jedem Standort erfolgreich reproduziert; dass sie bewusst den Kontakt zu Wirtschaft und Politik sucht; dass der Betrug mit öffentlichen Geldern wie dem EU-Landwirtschaftsfonds in der Slowakei zu ihren Hauptgeschäftszweigen gehört: das muss endlich bei Fällen wie dem Kuciaks von selbst den (dann eben auszuermittelnden) Verdacht nahelegen, hier sei die Organisierte Kriminalität im Spiel.
Nach dem tödlichen Anschlag auf die Journalistin Daphne Caruana Galizia im Oktober auf Malta müssten die Morde in der Slowakei nun eigentlich die Öffentlichkeit aufschrecken. So etwas geschieht hier, in der EU, als extremer Auswuchs der Gewalt, mit der die Organisierte Kriminalität ihre ganz großen Geschäfte absichern will. Im Kleineren sind Übergriffe auf Journalisten in Italien ohnehin Alltag, am Montag erst wurde auf Kollegen, die zum Drogenhandel in Palermo recherchierten, geschossen.
Aber offene Gewalt ist das letzte Mittel dieser Organisationen. Solidarität ist nicht erst angebracht, wenn jemand ermordet wird. Wenn versucht wird, Einschüchterung auf dem Rechtsweg durchzusetzen, wie es auch in Deutschland gang und gäbe ist, müssen wir auch das ernst nehmen – und Solidarität zeigen mit den mutigen Kolleginnen und Kollegen, die zum Thema Organisierte Kriminalität arbeiten.
Kommentar Erschossener Journalist: Mitten in Europa
Immer wieder bricht ungläubliges Staunen aus, wenn ein Opfer der Mafia zu beklagen ist. Solidarität ist nicht erst angebracht, wenn jemand tot ist.
Auf dem Weg zum Tatort: Spurensicherung im slowakischen Velka Maca Foto: dpa
Folge dem Geld. Das war die bahnbrechende Maxime der Anti-Mafia-Ermittler Giovanni Falcone und Paolo Borsellino. Nicht zuletzt deshalb ließ die Cosa Nostra sie 1992 ermorden.
Dass sich seitdem, insbesondere in Italien, nichts zum Positiven verändert hätte, an zivilgesellschaftlichem Engagement und an staatlich-repressiven Mitteln gegen die Organisierte Kriminalität – das zu sagen wäre falsch und respektlos gegenüber den vielen Opfern der Mafien.
Aber es ist doch schwer zu erklären, warum jedes Mal, wenn wie im Fall der Morde am slowakischen Journalisten Ján Kuciak und seiner Partnerin Martina Kušnirova, die Spur zu einer Mafiaorganisation zu führen scheint, erst einmal ungläubiges Staunen ausbricht.
Die vielfach bewiesene Tatsache, dass die 'Ndrangheta eine Organisation ist, die ihr archaisches Modell aus Kalabrien an jedem Standort erfolgreich reproduziert; dass sie bewusst den Kontakt zu Wirtschaft und Politik sucht; dass der Betrug mit öffentlichen Geldern wie dem EU-Landwirtschaftsfonds in der Slowakei zu ihren Hauptgeschäftszweigen gehört: das muss endlich bei Fällen wie dem Kuciaks von selbst den (dann eben auszuermittelnden) Verdacht nahelegen, hier sei die Organisierte Kriminalität im Spiel.
Nach dem tödlichen Anschlag auf die Journalistin Daphne Caruana Galizia im Oktober auf Malta müssten die Morde in der Slowakei nun eigentlich die Öffentlichkeit aufschrecken. So etwas geschieht hier, in der EU, als extremer Auswuchs der Gewalt, mit der die Organisierte Kriminalität ihre ganz großen Geschäfte absichern will. Im Kleineren sind Übergriffe auf Journalisten in Italien ohnehin Alltag, am Montag erst wurde auf Kollegen, die zum Drogenhandel in Palermo recherchierten, geschossen.
Aber offene Gewalt ist das letzte Mittel dieser Organisationen. Solidarität ist nicht erst angebracht, wenn jemand ermordet wird. Wenn versucht wird, Einschüchterung auf dem Rechtsweg durchzusetzen, wie es auch in Deutschland gang und gäbe ist, müssen wir auch das ernst nehmen – und Solidarität zeigen mit den mutigen Kolleginnen und Kollegen, die zum Thema Organisierte Kriminalität arbeiten.
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Schwerpunkt Korruption
Kommentar von
Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.
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