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Kommentar Erschießung Trayvon MartinsMindestmaß an Rechtsstaat

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Der Fall Trayvon Martin berührt zwei ideologische Dauerthemen in den USA: Waffenbesitz und Rassismus. Die Anklage Zimmermans war überfällig.

D ie Verhaftung George Zimmermans, jenes 28-jährigen Wachschützers, der vor rund sechs Wochen den 17-jährigen Trayvon Martin in Sanford, Florida, erschoss, war überfällig. Die Chefin der Anklagebehörde tat recht daran, ein Verfahren einzuleiten. Damit ist Zimmerman ja noch nicht verurteilt – ein Freispruch ist keineswegs ausgeschlossen. Wenigstens die Mindestanforderung an einen Rechtsstaat, die Tötung eines unbewaffneten 17-Jährigen gerichtlich zu untersuchen, wird nun erfüllt.

Dass das überhaupt so schwierig ist, liegt an dem schändlichen „Stand your Ground“-Gesetz, das auf Druck der Waffenlobby, der National Rifle Organisation, 2005 eingeführt wurde. Es kehrt auf unerträgliche Weise die Beweislast um: Sobald ein Täter reklamiert, in Selbstverteidigung gehandelt zu haben, liegt die Beweislast beim – toten – Opfer.

War es zuvor die oberste Pflicht einer bedrohten Person, einer bedrohlichen Situation außerhalb der eigenen vier Wände zu entgehen, kann seither jeder, der sich angegriffen fühlt, in vollem Recht zu irgendeiner Waffe greifen und den Angreifer zur Strecke bringen – oder solches zumindest nach der Tat behaupten. Strafverfolger und Polizisten raufen sich seither die Haare: In Gang-Auseinandersetzungen und Raubmorden berufen sich gefasste Täter seither auf das Gesetz, und oft ist es schwer, der umgekehrten Beweislast gerecht zu werden.

Bild: taz
BERND PICKERT

ist Redakteur im Auslandsressort der taz und zuständig für die Amerika-Berichterstattung.

So berührt der Fall Trayvon Martin gleich zwei ideologisch belastete Dauerthemen: privater Waffenbesitz und Rassismus. Es ist bezeichnend, dass sich seit dem Amtsantritt des ersten schwarzen Präsidenten in beiden Bereichen der Ton verschärft hat. Der Ausgang des Verfahrens von Sanford sollte eigentlich von alldem nicht abhängen. Folgen wird er dennoch haben – und die gehen tief in US-amerikanischen Befindlichkeiten.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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3 Kommentare

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  • B
    Bernd

    Ich LIEBE es, wenn die taz die gute alte Rassismus-Keule rausholt! Köstlich, einfach zu und zu witzig, herrliches Schwarz-Weiß-Denken, im Vergleich zur taz ist die NPD ein Sammelbecken vielfältigster Meinungen. Zu witzig, diese taz-Artikel, bitte mehr davon!

  • T
    Thomas

    Ist doch praktisch...der Pöbel bringt sich gegenseitig um.

    Die USA werden es nie kapieren und haben es auch langsam nicht mehr verdient eine "Weltmacht" zu sein...auf der anderen Seite waren alle davor auch "Weltmächte" und sind heute nur noch kleine Hupen...also lassen wir die noch ein paar Jahre machen, dann löst sich das Problem von alleine :)

  • K
    Karl

    Was für ein schlechter Artikel?

     

    Wie kann man sich nur veranlasst sehen vor dem tragischen Hintergrund so ein schwer verdauliches Konvolut zu verfassen? Geht’s nur um NRA bashing oder der das Ausleben einer Hoplophobie?

     

    Denn es ergeben sich einige Fragen:

     

    Was ist ein „Rechtsstaat“?

     

    Das dortig geltende Recht kennt den Amtsermittlungsgrundsatz beispielsweise nicht! Und hat einen sehr fragwürdigen Umgang mit Notwehrtatbeständen in ein Gesetz gegossen. Das muss niemand gut finden, aber war hier die „Waffenlobby“ oder doch die Legislative verantwortlich?

     

    Ob ein „unbewaffneter 17-Jähriger“ getötet worden ist, wäre das Alter per se unbeachtlich. Hier ist die Frage zu beantworten unter welchen Umständen der geschädigte zu Tode gekommen ist, und ob die todesursächlichen Handlungen zu dem Zeitpunkt rechtmäßig waren.

    Sind Notwehrtatbestände erfüllt gewesen oder nicht; und was dann?

     

    Die Einführung einer „gefühlten Bedrohung“ ist tatbestandsmäßig natürlich ein Witz, die Schwierigkeiten mit der „Putativnotwehr“ sprechen hier Bände!

     

    Übrigens liegt die Beweislast nicht direkt beim Geschädigten, sondern der SV ist von der zuständigen Behörde zu prüfen.

     

    „Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen“ ist ein auch im deutschen Rechtswesen akzeptierter Grundsatz, was aber nicht meint ein dass Jemand schuldlos einer provozierten Gefahrenlage mit beliebigen Gewalthandlungen entkommen kann!

     

    Wer „Notwehr“ auf Waffenbesitz reduziert hat schon verloren.

     

    Glück auf!

     

    Karl