Kommentar Erdogans Erfolge: Erdogan auf Erfolgskurs
Erdogan lässt sich feiern. Obama will ihn treffen und durch das Zypern-Desaster könnte die frühere Ablehnung durch die EU zum späten Triumph werden. Doch überzieht er?
D er türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sonnt sich im Glanz seiner neuen außenpolitischen Bedeutung. Zuerst gratulierten von Europa bis Nordamerika alle Regierungen zu seinem Vorstoß, ernsthaft eine Lösung des Konflikts mit der kurdischen Minderheit zu suchen. Dann kam einen Tag später auch noch die kaum mehr erwartete Entschuldigung von Israel für den tödlichen Militäreinsatz gegen türkische Gaza-Aktivisten vor zwei Jahren.
Unter dem massiven Druck von US-Präsident Obama musste der israelische Staatschef in den sauren Apfel beißen und einräumen, dass der damalige Militäreinsatz auf der „Mavi Marmara“ fehlerhaft war – doch es war wohl nicht nur der Druck der USA allein.
Die Befreiungsbewegungen im Nahen Osten haben Israel zusätzlich isoliert und der Bürgerkrieg in Syrien hat schmerzhaft bewusst gemacht, dass die Türkei das einzige Land ist, mit dem Israel gegen eine Ausweitung des syrischen Desasters kooperieren könnte. Schon früher basierten die türkisch-israelischen Beziehungen nicht zuletzt darauf, dass man im Regime des Vaters von Baschir al-Assad einen gemeinsamen Feind hatte.
ist Türkei-Korrespondent der taz.
Erdogan schwimmt auf einer Woge des Erfolgs. Barack Obama will ihn im Weißen Haus treffen, und das Desaster auf Zypern gibt den Türken mindestens psychologisch das Gefühl, dass die frühere Ablehnung durch die EU sich jetzt noch in einen späten Triumph verwandelt.
Bei Erdogan besteht aber immer die Gefahr, dass er im Triumph überzieht. Schon jetzt lässt er sich als Sieger über Netanjahu feiern, die Stimmung in Ankara gegenüber der EU grenzt bereits an Überheblichkeit, und in der Aussöhnung mit der kurdischen Minderheit ist im Moment diplomatische Zurückhaltung das Wichtigste. Es wird sich zeigen, ob Erdogan seiner neuen Bedeutung gewachsen ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten