Kommentar Erdölpolitik Serbien: Das Tafelsilber geht an Russland
Serbien verschleudert seinen Erdölkonzern NIS an Moskau. Belgrad, das ein Milliardenminus im Staatshaushalt verkraften muss, will so an Cash kommen. Von Russland abhängig ist man ohnehin.
A llen Protesten zum Trotz wird die von Präsident Boris Tadic kontrollierte proeuropäische Regierung 51 Prozent des serbischen Erdölkonzerns NIS an die russische Gazprom für einen Spottpreis verkaufen. Und zwar nicht im Paket mit dem Bau der strategisch wichtigen Pipeline South Stream durch Serbien, wie es zuvor im Energiestaatsabkommen zwischen Belgrad und Moskau stand - und ohne Garantien, dass die Pipeline jemals gebaut wird. Viele Experten meinen, dass der niedrige Preis der NIS nur so wirtschaftlich hätte begründet werden können.
Die Zugeständnisse Belgrads sind nachvollziehbar. Inmitten der Finanzkrise braucht die Regierung Cash. Der serbische Staatshaushalt gründet auf dem Geld, das von der Privatisierung staatlicher Unternehmen kommt. Projektiert sind etwa drei Milliarden Euro jährlich aus dieser Quelle.
Die rosigen Zeiten der Privatisierung sind aber vorbei. Der Verkauf der Kupfermine Bor an die österreichische A-Tech und der Ausbau und Konzessionsvertrag der Autobahn "Korridor zehn" mit dem österreichisch-spanischen Baukonzern Porr-Alpine sind wegen mangelnden Bankgarantien geplatzt. Die bankrotte serbische Fluggesellschaft JAT findet keinen Käufer, und die pompös angekündigten Investitionen von Fiat in den maroden serbischen Autokonzern "Zastava" in Kragujevac sind wegen der Krise in der Autoindustrie äußerst fragwürdig geworden. So ist ein Milliardenminus im Staatshaushalt für 2009 entstanden. Und Auslandskredite sind so teuer geworden, dass sie sich Serbien eigentlich nicht leisten kann. Die serbische Regierung, mit einer hauchdünnen parlamentarischen Mehrheit, wird im kommenden Jahr einem starken Druck der allgemeinen sozialen Unzufriedenheit ausgesetzt sein.
Außerdem ist Serbien in der Gas- und Erdölversorgung ohnehin abhängig von Russland. Also sollte man die orthodoxen russischen Brüder nicht allzu sehr brüskieren. Zumal sie sich in der Kosovo-Frage voll und ganz hinter Serbien gestellt und die ganze westliche Hemisphäre genervt haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe