piwik no script img

Kommentar ErbschaftssteuerPleite für Peer

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Das oberste deutsche Finanzgericht kassiert die Erbschaftssteuerreform als unfair ein. Verantwortlicher Finanzminister 2008 war Peer Steinbrück.

W ieder einmal wird es peinlich für die Sozialdemokraten: Der Bundesfinanzhof, also das oberste deutsche Finanzgericht, hält die Reform der Erbschaftsteuer für verfassungswidrig. Sie war von der großen Koalition 2008 beschlossen worden. Zuständig war damals ein Finanzminister namens Peer Steinbrück, der neuerdings als SPD-Spitzenkandidat fungiert.

Der Bundesfinanzhof moniert, dass vererbtes Geldvermögen voll besteuert werden muss, während nachgelassener Firmenbesitz steuerfrei bleibt, wenn man es nur geschickt anstellt. Nun soll das Bundesverfassungsgericht die Reform prüfen – und dürfte sie wohl ablehnen. Denn man muss kein Jurist sein, um zu erkennen, dass das Gleichheitsgebot verletzt ist, wenn vererbtes Vermögen ungleich besteuert wird.

Schon 2008 warnten viele Juristen, dass die Reform der Erbschaftsteuer vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe landen würde. Aber Steinbrück neigt ja dazu, sich selbst für den größten und einzigen Experten zu halten. Er setzte sich über alle Einwände hinweg. Zugegebenermaßen: Er hatte auch wenig Spielraum. Die Union wollte die Firmen von der Erbschaftsteuer befreien, und die Sozialdemokraten machten mit.

Bild: taz
Ulrike Herrmann

ist finanzpolitische Koresspondentin der taz.

Nun geht der Streit über die Erbschaftsteuer also in eine neue Runde. Dennoch ist keineswegs sicher, dass am Ende eine faire Besteuerung steht. Es könnte auch sein, dass die Erbschaftsteuer ganz abgeschafft wird. Nachbarländer wie Österreich haben dies bereits vorgemacht.

Auch in Deutschland fragen sich viele, warum man die Erbschaftsteuer verteidigen muss. Schließlich dürfte sie 2012 nur rund 4,3 Milliarden Euro einbringen. Die Antwort: Sie ist eine der wenigen Möglichkeiten, um zu verhindern, dass sich der Reichtum in Deutschland noch schneller auf wenige Familien konzentriert. Nur zur Erinnerung: Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt bereits ein Drittel des Volksvermögens.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • UF
    Ullrich F.J.Mies

    Steinbrück ist ein aufgeblasener Wichtigtuer - wie Schröder.

    Schlimm, dass solche Figuren überhaupt den Hauch einer Wahlchance haben.

  • HB
    Heinz Boxan

    Der liebe Herr Steinbrück wirkt nicht gerade konziliant und philanthropisch auf mich, eher arrogant, doch bin ich überzeugt, dass er ein großer, selbstloser Berater-Fachmann in Finanzen und Anschaffen ist. Ich neide ihm nichts, gönne auch jedem seinen großen, sei´s unendlicher Reichtum, solange es keine ungerechte Armut gibt. Und die gibt es in unserem stinkreichen Bundesreppchen in ungezogenem, zum Himmel stinkendem Missbrauch. Die Gerechtigkeit in unsrem so christlichem Land heißt: "Es gebe der der Zwei hat, Eins ab an dem der Drei hat." War das so gemeint in der Bergpredigt oder hab ich da was falsch verstanden?

    c-inribonax

  • L
    lowandorder

    Na endlich. Licht am Ende des Tunnels.

     

    Besteuerung von Grundeigentum - a never ending story?

    So so, der BFinHof - da schau her. Neues aus der Stätte der Bewegung.

     

    Aber der Reihe nach.

    Meinen Freind und Sangesbruder hab ich grad zu Grabe getragen.

    Und die Berichterstatterin beim BVerfG ist längst ausgeschieden!

    Ok. So denn! Seit Jahren lauerte des BVerfG ziemlich öffentlich darauf, der allseits bekannten - cum grano salis - verfassungswidrigen Ungleichbesteuerung Geld/Grundeigentum ein Ende zu bereiten.

    ( Stichwort: Einheitswert - wie das? - nun ein Grundstück hat einen Verkerhrswert von sach ich mal - 5 Mio! Einheitswert und STEUERGRUNDLAGE 25.000 ! noch Fragen? )

     

    Und jetzt: SPezialDemokraten im Doppelpaß.

    Zwar war endlich, endlich eine richtig begründete Vorlage beim BVerfG gelandet.

    Aber gleichzeitig mußte eine FinG-Präsidentin entsorgt werden;!hatte sie doch anläßlich einer der vielen Parteispendenaffäre in die richterliche Unabhängigkeit eingegriffen.

    Fründe stonn zusamm: Und so - bearbeitete sie die so ersehnte Vorlage beim BVerfG !!

    ( Und? - na was wohl? Ne? - doch! tja mach was: vor dem Rumpestilzchen hatten se alle Schiß " und sie ist schließlich vom Fach! "- schön wär's! und - So geht das! )

    Und so blieb alles schön - zu Lasten der übrigen Steuerzahler alles schön beim alten!!

     

    Und schon kommt der nächste SPezialDemokrat - Steini I. -

    und strickt genau daran, an dieser verfassungswidrig gebliebenen Rechtslage

    das " reformierte " ( hö hö ) Erbschaftssteuerrecht lang!

    Wat höbt wie lacht; " Wer hat uns …" man mag's ja gar nicht mehr singen.

     

    Uns Normalos und dem BFinHof kann man nur alle Daumen drücken und Vössibärs Primodonnentruppe so viel Regierungsferne, daß sie diesem undäglichenn Possenspiel endlich Ende bereitet.

  • K
    KBecker

    Genau 4.3 Milliarden ist soooooooooooo wenig, dann lohnt sich das nicht, bei der Vermögenssteuer sind es nur so und so viel - lohnt sich auch nicht - und so weiter und so fort; sollten man mal alles zusammen rechnen was sich da nicht lohnt, dann lohnt sich das schon!

  • B
    Bitbändiger

    Wenn ich mich recht erinnere, liebe Frau Herrmann, war die Union schon 2008 eigentlich für die Abschaffung der Erbschaftssteuer. Der Preis für deren wenigstens teilweise Rettung war der Kompromiss über die Freistellung "betrieblicher" Vermögen, weil die Gegner anderenfalls publikums- und pressewirksam eine Pleitewelle in den Familienbetrieben an die Wand malten.

     

    Auch wird der damalige Finanzminister Steinbrück, kraft Amtes federführend für das Gesetz, z.B. in ZEIT-Online zitiert: "Auf die Frage, wie zukunftsfest das neue Regelwerk sei, antwortete er damals, er erwarte schon bald Klagen."

     

    Ist ja nett, dass Sie erwähnen, dass Steinbrück damals "wenig Spielraum hatte". Aber ihn mit der Überschrift "Pleite für Peer" als quasi Alleinschuldigen madig zu machen, liebe Frau Herrmann, ist - so sehr ich Sie sonst schätze - reichlich unredlich.

  • M
    miri

    "Nur 4,3 Milliarden Euro"? Ach so, so wenig. Wenn ihrs nicht wollt, gebt's mir.

  • C
    Celsus

    Es liegt mir dann doch die hämische Frage auf der Zunge, ob diese Geistesgröße einen teuren Vortrag halten durfte über die Reform des Erbschaftssteuerrechtes und die juristische Machbarkeit der Begünstigung einer vermögenden Klientel.