Kommentar Entschädigung italienischer Zwangsarbeiter: Noch immer unentschädigt
Zu Hause mag sich Deutschland aus der Verantwortung für die vom Naziregime verschleppten italienischen Zwangsarbeiter gestohlen haben - in Italien nicht.
K lebt demnächst der Kuckuck auf dem Goethe-Institut in Rom? Ein erster Blick in das gerade vom höchsten italienischen Gericht gefällte Urteil legt diesen Schluss nahe: Zu Hause mag Deutschland sich aus der Verantwortung für die vom Naziregime verschleppten italienischen Zwangsarbeiter gestohlen haben; in Italien dagegen meint die Justiz, dass das Unrecht immer noch der Entschädigung harrt. Schließlich sei die Verschleppung von hunderttausenden Menschen - etwa 100.000 von ihnen überlebten die Zwangsarbeit nicht - ein "Verbrechen gegen die Menschheit".
Deutsche Richter hatten die Situation der deportierten italienischen Soldaten ganz anders bewertet - mit einem üblen juristischen Kniff. Hitler habe ihnen den Status von Kriegsgefangenen gar nicht aberkennen dürfen, argumentierten die deutschen Juristen; deshalb sei die Nazientscheidung nichtig. Und deshalb gingen die Italiener als "eigentliche" Kriegsgefangene leer aus: Zum Schaden hatten sie noch den Spott.
Der italienische Richterspruch rückt die Dinge nun wieder zurecht - mehr aber auch nicht. Jeder einzelne Anspruchsberechtigte muss nun gegen Berlin auf dem Zivilweg klagen; wer die italienische Justiz kennt, weiß, dass da Greise in einen jahrelangen Gerichtsmarathon mit ungewissem Ausgang bei gleichzeitig hohen Kosten gezwungen werden. Die Goethe-Institute werden also wohl nicht auf Notzelte ausweichen müssen. Doch Berlin sollte sich deshalb nicht zurücklehnen.
Viel größer als der - am Ende, wenn überhaupt, bescheidene - materielle ist der moralische Schaden, der jetzt schon Deutschland entstanden ist. Wieder einmal ist die Bundesrepublik in den Schlagzeilen als hartleibiger Staat, der mit juristischen Winkelzügen das Leid der Deportierten als eigentlich unerheblich deklariert. Auch wenn das juristische Gezerre nun vorbei ist, wird auch dieses Deutschlandbild immer wieder neu belebt werden. Dabei ließen sich Lösungen finden: Weit mehr als am deutschen Geld nämlich sind die Opferverbände an der Anerkennung deutscher Schuld interessiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen