Nichts verstanden?
„Der Gipfel der Einsicht“. Das ist eine ganz falsche Überschrift, denn mit diesem Kommentar macht sich Reiner Metzger zum Fürsprecher gerade der Uneinsichtigen. Sogar die in Kopenhagen versammelten Politiker sind ja schon weiter, wenn sie sich wenigstens auf das Ziel verständigen können, dass die Erwärmung der globalen Durchschnittstemperatur unbedingt auf 2 Grad beschränkt werden muss. Nicht 3 Grad oder 4, wie Metger schreibt. Die Wissenschaft hat eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür errechnet, dass bei stärkerer Erwärmung Prozesse in Gang gesetzt werden, wie zum Beispiel die Freisetzung riesiger Mengen von Methangas durch das Auftauen des sibirischen Permafrostbodens, durch die sich der Klimawandel noch beschleunigt und eine unumkehrbare Dynamik gewinnt. Und das mit weitaus schlimmeren Konsequenzen als dass die in ihrer Skurilität schon wieder lustige Vorstellung von „Kakteenwäldern in den deutschen Mittelgebirgen“ auch nur annähernd als angemessen bezeichnet werden könnte. Eine 100%ige Gewissheit, dass sei zugegeben, gibt es dafür nicht, doch niemand sollte wirklich darauf erpicht sein, als Zeitzeuge dabei zu sein, wenn die Natur doch den Tatsachenbeweis antritt. Wir bleiben doch auch an einer uneinsehbaren Kreuzung bei roter Verkehrsampel stehen und geben nicht noch Gas, weil uns der Beweis fehlt, das gerade jetzt wirklich jemand von der Seite kommt.
Der Klimawandel bedroht nicht nur und nicht einmal in erster Linie die Geschäfte, die am wenigsten. Denn Geschäfte machen kann man bei jeder Temperatur. Verkaufen wir halt weniger Heizöl und weniger Skiausrüstungen, dafür um so mehr Klimaanlagen und Taucheranzüge. Und ähnlich bestellt ist es um den Lebensstil. Man ist doch flexibel. Mir egal, ob der Hopfen für mein Bier aus der Holledau oder später mal aus Island kommt. Wein soll jetzt sogar schon auf Sylt wachsen, da stört es wenig, wenn die Trauben in Australien zu hohem Klimastress ausgesetzt sind. Und überhaupt, der Winter ist schon lange nicht mehr, was er einmal war. Weiße Weihnacht Fehlanzeige! Wen stört es da schon, wenn er ersatzlos gestrichen wird und endlich diese unentschieden trübe und nasskalte Dezemberwitterung richtig molliger Wärme weichen muss? Wenn das alles ist, dann soll er doch kommen, der Klimawandel.
Doch die eigentliche Gefahr des Klimawandels liegt darin, dass er durchaus das Potential hat, dem relativ friedlichen Leben der Menschheit auf diesem Planeten ein Ende zu setzen. Oh ja! Diese mistige Zeit wird uns als eine relativ friedliche in Erinnerung bleiben, wenn wir zulassen, dass die Klimakatastrophe sich Bahn bricht. Viele Politiker sehen die große Gefahr von Verteilungskriegen und Klimaflüchtlingen. Es geht nicht allein um viel Geld, um „Billionen Euro pro Jahr“, mit denen sich ganz bestimmt manches auch im Nachhinein wird regeln lassen. Es geht, wenn auch nicht gerade hier in Deutschland, für viele Menschen um Leben und Tod. Und ich unterstelle einer Vielzahl derer, die sich in Kopenhagen versammelt haben, ernsthaftes Bemühen darum, einen konkreten, für alle gangbaren Ausweg aus der Misere zu finden.
Einsicht ist definitiv zu wenig, und wenn der Gipfel es dabei belassen sollte, dann erweist sich womöglich der eine Satz in Reiner Metzgers Kommentar als wahr, der alle anderen Worte ad absurdum führt: „Es ist aber auch klar: Die große Politik kommt zu spät – und sie ist zu langsam.“
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