Kommentar Ende des Echo: Musikpreis schafft sich ab
Endlich gibt es den sinnlosen Musikpreis Echo in dieser Form nicht mehr. Von mehr Verantwortungsbewusstsein der Branche zeugt das aber leider nicht.
E s ist das Beste, was man seit langer Zeit vom Echo gehört hat: Der deutsche Musikpreis schafft sich ab. Das ist auch überfällig. Als vor zwei Wochen mit Kollegah und Farid Bang zwei Rapper geehrt wurden, die mit antisemitischen Klischees operieren und auf dem für preiswürdig erachteten Album Holocaustopfer verhöhnen, da hat der Echo und dessen Ethikrat, der dieses Album zuließ, auf ganzer Linie versagt. Wenn nun der Ausrichter, der Bundesverband Musikindustrie (BVMI), die Konsequenzen zieht und das Kapitel Echo beendet, ist das die richtige Entscheidung.
Zumal dieser Preis ohnehin eine Farce war. Ohne die Skandale und Aufreger – man denke an Frei.Wild, die 2013 erst ausgeladen wurden und 2016 einen Echo bekamen, sowie an den politisch nicht minder verirrten Xavier Naidoo, der 2017 den Preis moderierte – wäre der Echo einfach nur redundant.
Ein Preis, bei dem die fünf meistverkauften Alben in die Vorauswahl kommen und ästhetische Kriterien quasi irrelevant sind, nimmt Pop nicht als Kunst ernst. Und in einem Land, das den drittgrößten Musikmarkt der Welt hat, sollte ein solcher Preis nicht der national bedeutsamste sein.
Sensibilität und Verantwortung? Fehlanzeige!
Aber mit dem Verschwinden des Echo ist noch nichts gewonnen. Das Statement des BVMI zum Echo-Aus klingt nicht so, als wäre Einsicht eine Kategorie bei der Entscheidung gewesen. Weil die „Marke Echo so stark beschädigt worden sei“, sei ein „Neuanfang notwendig“, heißt es da. Das lässt tief blicken. Sensibilität hinsichtlich eines erstarkenden Antisemitismus? Ein Bewusstsein für das Signal, das man mit dem Echo ausgesendet hat? Fehlanzeige. Oder ist irgendjemand aufgestanden und hat gesagt: „Ja, ich übernehme die Verantwortung“?
Wie weiter? Ein Echo-Nachfolger ohne den BVMI, bei dem die Chefs der Majorlabels Warner, Universal und Sony im Vorstand sitzen, ist schwer vorstellbar. Wenn ein neu zu entwickelnder Preis aber nur von dem Branchenverband getragen wird, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Malaise fortsetzt, groß. Wenn man es ernst meint mit dem Neuanfang, dürfte es kein Industriepreis sein. Orientieren sollte man sich besser an Disziplinen wie der Literatur und dem Buchpreis oder Popkritikauszeichnungen wie dem britischen Mercury Prize.
Natürlich wird man das Problem mit antisemitischem und frauenverachtenden Rap oder rassistischem Rock nicht dadurch los, dass man einen Preis abschafft. Doch die Auseinandersetzung um Texte von Bushido, Kollegah, Farid Bang, Frei.Wild und Co. muss ohnehin woanders ausgetragen werden. Auf den Schulhöfen, an den Straßenecken, in den Jugendhäusern, in den Familien. Popkultur spiegelt die ganze Gesellschaft, sie zeigt auch, was gerade gut ankommt; und leider sind das auch: Verschwörungstheorien, Israelhass und Machismo.
Diesem Denken noch den roten Teppich auszurollen, ist geschichtsvergessen. Dass der Echo nun aus der Poplandschaft verschwindet, ist ein erster, kleiner Schritt in die richtige Richtung.
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