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Kommentar Ende des AtomzeitaltersWer investiert noch in Reaktoren?

Reiner Metzger
Kommentar von Reiner Metzger

Ein Atomkraftwerk zu bauen bedeutet, 5 bis 10 Milliarden Euro zu investieren. Mit Fukushima erweist sich das als blanker Horror für jeden Investor.

S chon jetzt ist klar, dass sich die Atomindustrie von der Katastrophe in Japan lange nicht erholen wird - vielleicht nie. Die rauchenden Reaktoren von Fukushima sind auch für den Rest der Welt ein Fanal.

Vor allem in jenen Ländern, die über eine Anti-Atom-Bewegung verfügen - allen voran Deutschland -, wird es künftig schwer sein, den Bau neuer Reaktoren durchzusetzen. Schon nach dem Desaster von Tschernobyl gehörte es zwar zur Taktik der Atomindustrie, abzuwarten und abzuwiegeln: Sowjetische Reaktoren seien aus einem anderen System, hieß es da, solch eine Explosion könne im Westen nicht passieren. Genutzt haben diese Argumente wenig: Nach Tschernobyl wurde in der gesamten westlichen Welt 20 Jahre lang kein neuer Reaktor mehr in Auftrag gegeben.

So einen Rückschlag wird die Atomlobby jetzt wieder erleiden - zumal in Japan weder sowjetische noch besonders alte Reaktoren stehen, sondern solche wie überall sonst in den westlichen Industrieländern auch. Dass an solch einem Hightechstandort, wo sechs AKWs an einer schönen Küste nebeneinander stehen, eines nach dem anderen durchbrennt - das schien bislang zwar theoretisch möglich, wurde im Normalbetrieb aber gern verdrängt.

Bild: taz

REINER METZGER ist stellvertretender Chefredakteur der taz.

In der Theorie der Reaktorbauer brennt ein Reaktor ja nur einmal in zehntausend oder gar nur einer Million Jahren durch. Mit Fukushima werden solche Wahrscheinlichkeitsrechnungen ad absurdum geführt - und wir haben noch nicht einmal über Urangewinnung und Endlagerung des Atommülls gesprochen.

Dann gibt es noch all jene Länder, die sich um solche Argumente seit je einen Dreck scheren. Entweder weil sie das Glück hatten, dass sie bislang noch keinen großen Unfall erleben mussten (wie etwa Frankreich). Oder weil sie wie die USA so groß sind, dass sie ihre in vergangenen Jahrzehnten verseuchten Gebiete einfach evakuieren und dann Gras über die verstrahlten Böden wachsen lassen können.

In all diesen Ländern spielte die Anti-Atom-Bewegung bei Wahlen bislang keine große Rolle, aber dort dürfte künftig ersatzweise die wirtschaftliche Vernunft greifen. Kein Banker gibt schließlich einen Kredit für eine Rieseninvestition, die von einer Stunde auf die andere ihren Wert verliert und Investoren wie Betreiber vor unlösbare Haftungsfragen stellt.

Für die meisten Industrieländer gilt: Ein Atomkraftwerk zu bauen bedeutet, 5 bis 10 Milliarden Euro in Beton festzumauern, bevor auch nur eine Kilowattstunde Strom erzeugt ist. Das besagen Kalkulationen aus den USA oder Europa, wo ja derzeit einige Neubauten geplant werden. Mit Fukushima erweist sich so ein Investment einmal mehr als reiner Horror für jeden Investor. Als im AKW Harrisburg 1979 der Reaktorkern schmolz, war in den Vereinigten Staaten auf einmal schlagartig Schluss mit dem Neubau solcher Reaktoren. Seit Jahren stellt die US-Regierung potenziellen Bauherren deshalb billige Kredite und Bürgschaften in Aussicht. Doch die wollte kaum jemand haben. Ein einziges neues Kraftwerk steht derzeit in den USA kurz vor der Bauphase - und das war vor Fukushima.

Für ein Überwintern bieten sich der Atomindustrie derzeit in Asien die größten Chancen. Länder wie China, Indien oder Vietnam sind derzeit die größten AKW-Bauer. Ihr Stromverbrauch steigt so stark, dass sie jede Art der Erzeugung nutzen, egal wie gefährlich - sie bauen dafür auch völlig verantwortungslose Staudämme. In diesen Ländern wird es voraussichtlich auch im kommenden Jahrzehnt noch eine nukleare Expansion geben.

Aber auch für autoritär geführte Staaten wie China oder Russland, die nur wenig Rücksicht auf die Bevölkerungsmeinung nehmen müssen und wo der Bau von Reaktoren nur halb so viel kostet wie in den arrivierten Industrieländern, gilt: Auch hier wird kapitalistisch gerechnet - und Atomkraft rechnet sich nur schwer.

Fukushima wird dafür sorgen, dass der Atomkraft künftig das Geld ausgeht. Mehr braucht es nicht, um diesen Irrweg der Industriegeschichte endgültig zu beenden.

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Reiner Metzger
Leiter Wochenendtaz
Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.

14 Kommentare

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  • S
    siljan

    @Teardown.

     

    Na dann rechenen wir doch mal andersherum. Für 230 Milliarden bekomme ich bestenfalls 45 Blöcke der neusten Generation wie in Oikiluoto oder Flamantville. Stückkosten 5 milliarden der Block. Bauzeit nicht mit eingerechnet. Jeder ca. 1600 MW . Sind bestenfalls 50 % nach milchmädchen der benötigten Leistund in Deutschland.

     

    sie sehen? Selbst wenn ich zu Gute halte daß wir so einige Kohlefraftwerke abschalten könnten...Kein doller Deal

  • T
    Teardown

    @Niko Reif

     

    Das interessiert mich auch, v.a. die tatsächliche Kapazität und nicht die installierte Leistung von Erneuerbaren Energien. Zum Vergleich: Ein schneller Ausstieg aus der Atomenergie bis zum Ende der Dekade soll ca. 230 Milliarden Euro kosten. Hauptsache öko! Verstand kann da hinten anstehen..

  • TW
    Tilman Winkler

    Die zitierten Wahrscheinlichkeitsrechnungen sind so schlecht nicht: Gehen wir von den genannten 10.000 Jahren Laufzeit je Kernschmelze aus. Es sind derzeit (Quelle wikipedia) 442 Reaktorblöcke am Netz. 10.000/442 = 22,6. Es dürfte nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung also ungefähr alle 23 Jahre ein Ereignis dieser Dimension geben. Tschernobyl liegt knapp 25 Jahre zurück. Wenn jetzt alle 6 Blöcke durchbrennen, wäre die Abweichung immer noch weniger als eine Zehnerpotenz daneben; geschenkt!

     

    Was folgern wir daraus:

     

    Eine solche Technik ist menschenverachtend und die sich realisierenden Risiken waren von Anfang an - sogar recht präzise errechnet - bekannt.

  • LW
    L.A. WOMAN

    Wer investiert????

     

    Seit 2009 wieder diese Regierung, in Form von Hermes Bürgschaften zur Förderung von AKWs im Ausland,

    diese Bürgschaften waren seit 2001 verboten!

     

    Zitat Meldung von Greenpeace:

     

    "Nach der Bundestagswahl 2009 kam die Wende. Der französisch-deutsche Atomkonzern erneuerte seinen Bürgschaftsantrag und die neue Regierung aus CDU/CSU und FDP änderte kurzerhand die Richtlinien. Der Interministerielle Ausschuss (IMA), der einstimmig über die Vergabe von Hermes-Krediten entscheiden muss, winkte den Areva-Antrag durch. Im Ausschuss sind das Finanz- und das Wirtschaftsministerium, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie das Auswärtige Amt vertreten.

     

    Damit zementiert die Bundesregierung das, was sie hierzulande eine Brückentechnologie nennt, in einem Schwellenland als Zukunftstechnologie. Noch dazu eine, die völlig veraltet ist: Angra 3 wäre in Westeuropa heute gar nicht mehr genehmigungsfähig. Zudem ist der Standort erdbeben- und erdrutschgefährdet. Die Entsorgung des Atommülls ist ein Skandal für sich. Die Abfälle werden unter Wasser in sogenannten blauen Schwimmbecken gelagert.""

     

    Dieses Verhalten zeigt die ganze Verlogenheit dieser derzeitigen schwarz-gelben Showveranstaltung.

  • J
    JoelMeir

    Hey, Herr Autor,

     

    "Aber auch für autoritär geführte Staaten wie China oder Russland, die nur wenig Rücksicht auf die Bevölkerungsmeinung nehmen müssen und wo der Bau von Reaktoren nur halb so viel kostet wie in den arrivierten Industrieländern, gilt: Auch hier wird kapitalistisch gerechnet - und Atomkraft rechnet sich nur schwer."

     

     

    Das kann langfristig keiner Prüfung standhalten. Wenn also umliegende Staaten keine Atomkraft mehr langfristig nutzen wollen, und eher auf Erneuerbare Energien nutzen wollen, so wie Deutschland. So wird ein Versorgungsloch entstehen, von den zus. Kosten für die Verbraucher mal abgesehen. Denn, wer soll bei den ganzen allg. Preissteigerungen noch die Preise zahlen können? Lohnerhöhungen gab es seit 1992 faktisch nicht.

     

    Wie soll also ein mehr an Kosten, durch ein wegen Weltweitem Wettbewerb gedrücktes Gehalt bzw. Lohn zur Deckung der täglichen Kosten führen?

     

    Ich finde, das die Theorie vom "Wird sind und bleiben Strom-Exporteur" ein Armenmärchen ist.

     

    Genauso ist es Moralisch nicht haltbar, sichere Deutsche Atomkraftwerke abzuschalten, und dann hingegen Strom aus Russland, China, Polen, Frankreich zu kaufen, der nicht immer den deutschen Standards genügt.

     

    Egal, unsere Linken und Grünen dieses Landes träumen, den Traum. Ich aber, bin lange schon wach.

  • DH
    Dr.KLaus Heine

    Homo "sapiens" hat schon lange seine "Weisheit" verloren, wären "WIR" besser im Entwicklungsstand von homo erectus stehen geblieben, müßte unser Globus nicht derart katastrophal unter einer Species leiden.

  • K
    Knallebumm

    Man muss die Anlagen doch sowieso subventionieren, wären denn nicht auch Staatsbürgschaften für Gewinnausfälle denkbar? Ganz im Sinne der Public Private Partnerships sollte Kernkraft durchaus verlockend bleiben können und gemeinnützig ist das Ergebnis ja allemal.

     

    Es kann nicht sein, dass Deutschland den Anschluss verliert. Ich bin zuversichtlich, dass verantwortungsbewusste Politiker das große Ganze im Auge behalten und nach Abklingen der Panikmache wieder zu solider Wirtschaftspolitik zurückkehren. Wir brauchen das Know-How, die Grundlast, den günstigen Strom.

  • T
    tystie

    "Länder wie China, Indien oder Vietnam sind derzeit die größten AKW-Bauer. Ihr Stromverbrauch steigt so stark, dass sie jede Art der Erzeugung nutzen, egal wie gefährlich - sie bauen dafür auch völlig verantwortungslose Staudämme. In diesen Ländern wird es voraussichtlich auch im kommenden Jahrzehnt noch eine nukleare Expansion geben."

     

    Warum so pessimistisch? Diese angeblich nicht lernfähigen Regierungen dienen doch nur notdürftig dazu, den eigenen Betonkopfkurs zu rechtfertigen. (Huch, wir sind die Einzigen, die das in Japan überhaupt wahrnehmen!)

     

    Vor der Endlagerung kommt auch noch der ABBAU. Beispiel Lubmin. Geschätzte Gesamtkosten: 2,4 Milliarden Euro. Die müssen nach Gesetz von den Stromkonzernen bezahlt werden (falls sie nicht von einer Bundesregierung 'gefördert' werden, was sowieso schon geschieht).

     

    Wir dürfen uns jetzt schon darauf vorbereiten, dass die Wirtschaftsunternehmen die billigsten 'Entsorgungsmechanismen' wählen werden. Merke: Es gibt viele Wege, Radioaktivität zu verbreiten, dazu braucht man keinen eigenen GAU.

     

    Wer soll das überwachen? Die Atomlobbymanager im Bundesumweltministerium, die Ingenieure im atomindustrieeigenen TÜV oder wieder einmal die blöden, unbezahlten, von Informationen abgeschnittenen BürgerInnen?

  • V
    vic

    Ich kann nur von der BRD ausgehen. Alle AKW, egal wie teuer der Bau, waren und sind es noch, über Jahrzehnte- gedankt sei der Politik- eindeutig Goldesel für die Betreiber.

    Wenn nun vereinzelte Meiler von Netz gehen, werden dafür andere um so länger laufen, wg Reststrommengen-Übertragung.

    Und dieser Regierung traue ich durchaus die Genehmigung für den Bau neuer AKW zu.

    Sichere, versteht sich.

    Angeblich ist eine Mehrheit der Bevölkerung gegen Atomkraft, und doch bezieht diese Mehrheit nach wie vor Atom- und Fossilstrom. Da passt etwas nicht zusammen.

  • NR
    Niko Reif

    Welche Kapazitäten an EE könnte man eigentlich mit "5 bis 10 Milliarden Euro" in Deutschland installieren?

  • IK
    Ihr Klaus

    Und wer investiert in die Erneuerbaren, wenn nicht subventioniert? Glauben frißt Hirn ...

  • W
    Waage

    Herr Metzger, Ihr Optimismus in allen Ehren.

     

    Hab mich jetzt drei Tage nach Feierabend in den Foren von FAZ und Spiegel online herumgetrieben und dabei fast den Glauben an die Menschheit verloren. Einsicht und Nachdenklichkeit? Fehlanzeige! Insgesamt muss ich leider sagen: die "Reaktion" rollt!

     

    oder mit Goethe gesagt:

    "...Übermacht, ihr könnt es spüren, ist nicht aus der Welt zu bannen..."

  • R
    raissa

    Hoffen wir, dass die Investition für die Betreiberfirmen ein "reiner Horror" wurden und das auch bleiben, eine Horrorvision die sich für immer und ewig gewaschen hat, für alle anderen Länder. Hoffen wir, das nichts und niemand eine Versicherung für diese Unternehmung anbietet. Atomstrom, wenn er denn funktioniert, war für die Betreiber offensichtlich viel zu billig, zu rentabel. Jetzt muss die Gewinnrechnung neu kalkuliert werden. Niemand darf mehr "Lust" auf so eine Energiequelle namens "sauberer Strom aus der Steckdose" haben, weder finanziell, noch ideel motiviert. Zu hoffen, dass Brasilien, Russland, Frankreich, China darüber reden... und ihnen da ideel und finanziell die Luft wegbleibt. Natürlich ist nach Ansicht der Betreiber "das Erdbeben schuld". Aber nicht allein, der Ausfall der Kühlsysteme hat wohl auch andere Ursachen was man so hört. Alle Achtung vor den Arbeitern, die immer noch vor Ort sind, und versuchen letzte Rettungsressourcen auszuschöpfen, ihr Leben dafür hergeben. Eine kleine Maßnahme wäre es, den eigenen Stromanbieter zu wechseln und - konsequent Strom einzusparen. An dieser Stelle wird das Elektroauto auch wieder ad absurdum geführt, denn es braucht - Strom. Und der ist nicht so sauber wie geglaubt. Hilft alles nix - Lichter aus, Stromfresser entsorgen, zurück zur Natur.

  • KL
    Kritische Leserin

    "So einen Rückschlag wird die Atomlobby jetzt wieder erleiden - zumal in Japan weder sowjetische noch besonders alte Reaktoren stehen, sondern solche wie überall sonst in den westlichen Industrieländern auch."

     

    Der erste Reaktor in Fukushima stand seit 1967 dort und wurde 1970 in Betrieb genommen, die anderen Blöcke bis 1979. Es sind also keineswegs "neue" Reaktoren

     

    hier nachzulesen: http://en.wikipedia.org/wiki/Fukushima_I_Nuclear_Power_Plant

     

    Die Anlagen wurden für 0.18 g Beschleunigung bei Erdebeben ausgelegt, das Beben jetzt waren 0.35g.

     

    Was bedeutet das diese AKWs waren für Beben der Stärke 7 gebaut und wir sollten alle dankbar sein das sie ein Beben der Stärke 9 ausgehalten haben.

     

    "Besonders alt" empfinde ich auch als eine sehr schwamige Formulierung. Diese AKWs sind über 40Jahre alt und seit dem ist die Technologie in Sachen AKW sehr vorangeschritten. BESONDERS nach Harrisburg. Natürlich ist ein AKW auf 60 Jahre Betriebsdauer ausgelegt, aber 40 Jahre ist schon alt wenn man bedenkt das nach Harrisburg neue Sicherheitskonzepte etabliert wurden und das war 1979, als die AKW in Fukushima schon in Betrieb waren.

     

    Auch sollte man Bedenken das von der Planung bis zur Inbetriebnahme eines AKW über 10 Jahre vergehen, wenn nicht mehr, weil hier nach westlichen Standart eingehend geprüft wird.

     

    Ich wünsche mir von Journalisten und solche die sich so nennen, eine sachlichere, objektivere und vorallem besser recherchierte Bericht- und Meinungskundgabe.