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Kommentar EhrenmordDie Empörung lässt nach

Kommentar von Philipp Gessler

Die Debatte um Ehrenmorde nimmt ab. Dabei wäre sie wichtig, um diese Probleme aus der Welt zu schaffen.

S chon wieder wurde ein junge Frau aus einer Migrantenfamilie von ihrem Bruder ermordet - weil sie nicht den Erwartungen ihrer Familie entsprach. "Ehrenmord" nennen das manche. Nach dem jetzigen Erkenntnisstand gleichen sich bei all diesen Morden die Motive. Es ist der patriarchale Hass auf ein selbstbestimmtes, westliches Leben, das die Männer in diesen Familien den jungen Frauen versagen. Das bleibt ein Skandal. Aber die öffentliche Empörung darüber nimmt ab.

Kleines Beispiel: Der jüngste Mord in Rees wird in der Bild auf Seite 12 routiniert abgespult. Der Mord an Hatun S. vor vier Jahren in Berlin hatte noch zu einer bundesweiten Debatte über das Phänomen "Ehrenmord" geführt.

Hier hat offenbar eine perverse Art von Gewöhnung Raum gegriffen, mag das Verbrechen noch so schrecklich sein. Das Thema "Ehrenmord" ist sogar in einem "Tatort" verwurstet worden, womit es endgültig als ein Teil des mal mehr und eben mal weniger schönen deutschen Alltags gelten darf. Bei dieser Normalisierung von Mord spielt eine Rolle, dass die Gewalt in Migrantenfamilien stattfindet. Von vielen werden sie als ohnehin nicht zu diesem Land dazugehörig empfunden - nach dem Motto: Was die "Ausländer" so machen, ist doch egal, solange sie sich nur selber schädigen.

Mit hinein spielt wohl auch das allgemeine Krisengerede. Wo vermeintlich bald die ganze Weltwirtschaft zusammenbricht, scheint ein Frauenmord in Rees sekundär. Schließlich spielt auch das normale, wenn auch zynische Auf und Ab der Medienkonjunkturen eine Rolle: Der erste "Ehrenmord" ist noch eine Sensation, der fünfte nicht mehr so. Man sieht dies auch an der Diskussion um das Schulmassaker von Winnenden. Auch das ist fast wieder aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt - nach dem Schulmassaker von Erfurt dauerte die Debatte viel länger.

Nun sagt die Dauer einer Debatte nichts über ihre Qualität. Doch Empörung ist der unerlässliche erste Schritt, um die "Ehrenmorde" mitten unter uns zukünftig aus der Welt zu schaffen.

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12 Kommentare

 / 
  • S
    Serdar

    Nun warum soll die Empörung bei "Ehrenmorden" anhalten, wenn sich die Gesellschaft gegenüber anderen Morden, die ständig passieren, schon daran gewöhnt hat?

    Mord aus Eifersucht, Vater bringt ganze Familie um, Familiendramen. Das ist alles schlimm, nur wen regt das noch richtig auf? Das kommt so häufig vor, und trotzdem werden keine Kolmunen geschrieben, die die Öffentlichkeit aus den Angeln heben. Also warum soll das bei "Ehrenmorden" anders sein?

  • T
    Thomsen

    Empörung nutzt sich schnell ab, besonders wenn sie mittlerweile so flächendeckend eingesetzt wird von falscher Wortwahl bis zum Mord. Zum zweiten weiss man nicht, ob nicht große Empörung auf Seite 1 der Bild-zeitung auch wieder als fremdenfeindliche Hetze interpretiert würde - den Wohlmeinenden ist's schwer rechtzumachen.

     

    Was den Vergleich mit den sog. "Familientragödien" angeht, so weiss ich zumindest keinen deutschen, europäischen, christlichen oder jüdischen kulturellen Kontext, in welchem so etwas als verständlich angesehen würde.

     

    Schwer zu verstehen ist allerdings der pauschale Gebrauch des Wortes "Migrantenfamilie" (gemeint sind Einwanderer). Es gibt soviele Einwanderer, denen das Konzept des "Ehrenmordes" völlig fremd ist - und die sollen alle pauschal für Mord und Totschlag in Haftung genommen werden, nur weil man die Tatsachen nicht aussprechen will? Die sog. "Ehrenmorde" betreffen nun wirklich hauptsächlich eine kleine Zahl von Hinterwäldlern aus einem ganz bestimmten Kulturkreis, und übrigens keineswegs die Mehrheit oder auch nur eine grosse Gruppe. Die Einwanderer aus Russland, Polen, Ex-Jugoslawien, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland können dafür überhaupt nichts.

     

    Und die allergrößte Mehrheit der eingewanderten Türken, Iraner, Araber auch nicht.

  • B
    BlaBla

    @Andi

     

    Verallgemeinern kannst du echt gut *würg*

     

    Wenn du mir hier einen, wirklich nur einen Link bringen kannst, wo ein Bruder bzw. Vater seine Tochter wegen ihres verletzten Hymens getötet hat überweise ich dir 100 Euro, wenn es sich dabei um Nicht-Muslime handelt.

  • A
    aso

    @ hoko:

     

    „...man muss kulturelle eigenheiten berücksichtigen und anerkennen, auch wenn sie auf den ersten blick schmerzhaft sind. „

     

    Der absolute Brüller...: Ehrenmord als „kulturelle Eigenheiten“...auch wenn es schmerzhaft ist...

    Für die Betroffenen ja nicht mehr...

    Sie meinen scheinbar damit die deutsche Mehrheitsgesellschaft, die Probleme damit hat, dies zu akzeptieren, Ehrenmord als „Folklore“ hinzunehmen..

  • I
    isnogood

    Ironiemodus an: Fantastischer taz-Kommentar! Ich hatte auch schon die ganze Zeit verzweifelt gegrübelt, worin die unvermeidliche Schuld – oder zumindest Teilschuld - der bundesrepublikanischen Mehrheitsgesellschaft an den Ehrenmorden bestehen könnte. Zum Glück hat der Kommentator die westliche Schuld gefunden: Sie besteht darin, dass die Bildzeitung (!) über den x-ten Ehrenmord nicht auf Seite 1 sondern nur auf Seite 12 berichtet. Oder um es mit seinen Worten zu sagen: Es wird eine „Normalisierung“ von Mord betrieben. Vielen Dank Herr Gessler! Es konnte ja auch gar nicht sein, dass nur der Mörder (+ Familie) sowie die Tatsache, dass zahlreiche muslimische Mitbürger Hass und Verachtung gegenüber der westlichen Lebensart empfinden, hinter diesen abscheulichen Taten stehen…: Ironiemodus aus.

    und tschüss!

  • WB
    Wie bitte

    "Doch Empörung ist der unerlässliche erste Schritt, um die "Ehrenmorde" mitten unter uns zukünftig aus der Welt zu schaffen."

     

    Selbstverständlich, denn man muss sich nur genug über etwas empören, dann verschwindet es schon!

     

    ...

  • SS
    Sakine Subasi-Piltz

    Ist die Empörung des Werner Müller, die, die sie sich gewünscht haben? Anscheinend schon, denn sonst würden sie sich nicht nach den Schlagzeilen sehnen, die es nach dem Tod der Türkeistämmigen alevitischen Deutsch-Kurdin Hatun Sürüncü gegeben hat. Die war alles andere als hilfreich und deswegen besser in Zukunft zu unterlassen als wieder zu beleben. Diese führen nur dazu, dass die Menschen immer mehr Xenophobie entwickeln und sich überhaupt um niemanden mehr kümmern. In dem vorigen Leitartikel klingt an, was wichtig sein könnte. Es wird jedoch nicht deutlich gemacht, in welcher Situation die Angebote sind, die sich an Personen richten, die von häuslicher und familiärer Gewalt bedroht und betroffen sind. In Deutschland gibt es kaum ausgebildete Stellen, die sich mit diesem Thema angemessen befassen. Und wenn schließlich das Ziel am Ende jeder politischen Debatte und auch Hilfeleistung die ist, dass die MigrantInnen-Communities stigmatisiert werden, ist es kein Wunder, dass die potenziellen Opfer sich gar nicht erst an diese Stellen wenden. Schließlich gehören sie selbst auch zur Community!

    Wo ich Ihnen nur Recht geben kann, ist die Tatsache, dass das staatliche und politische Interesse an Veränderungen der gesellschaftlichen Situation, nach wie vor sehr zögerlich ist. Immer noch werden lieber Alibi-MigrantInnen als ExpertInnen aufgeführt, die der Gesellschaft nach dem Mund redet und deutlich macht, dass die Probleme einzig und allein bei den MigrantInnen liegen. Das führt dann dazu, dass sich die politisch Verantwortlichen zurücklehnen, während schließlich noch mehr Fremdenfeindlichkeit gedeiht und zu den ursprünglichen Problemen noch mehr hinzukommen, welche die Situationen der Betroffenen nur noch verschlimmert.

  • A
    Andi

    Jawohl Werner. So einfach is es.

    Oder doch net?

    Leider gibt es Sie, diese sogenannten Ehrenmorde.

    Aber gibt es sie nur in den muslimischen Ländern?

    Wissen Sie warum wir dieses Wort nicht bei uns in Deutschland bei den Frauen verübten Morden nicht gebrauchen? Hat vielerlei Gründe.

    1. Hier haben wir uns damit schon abgefunden, dass ab und zu Frauen von Männern umgebracht werden und wir nenne es "aus Eifersucht" oder "Ehedrama" oder "die Trennung hat er nicht ertragen".

    2. Es ist ein politisch gebräuchliches Wort und die Poltik verwendet es gerne um eine Begründung für Ihr Vorhaben zu haben.

    3. Wenn es Hinweise bei deutschen Frauen darüber gibt, dass eine Frau um ihr Leben fürchten muss, weil ein Mann sie zu sehr bedroht, dann wird schnell gehandelt. Es gibt auch genügend "deutsche Frauenhäuser", wo sie hinflüchten können. Was machen wir bei Hinweisen über ausländische Frauen? Viele Migrantenvereine/-verbände in Deutschland werden Ihnen die beste Antwort geben können.

    Haltet die Ohren steif Leuts.

  • HE
    Heribert Eisenhardt

    Laut Herrn Gessler ist also der eigentliche Skandal, das 1. wir Deutschen so abgestumpft sind (und das Thema sogar schon beim Tatort "verwurstet" wurde) und 2.aus "Ausländerfeindlichkeit" solche traditionsbewußten Kurden nicht als zu uns gehörig ansehen. Lösungen hat er aber auch keine, wahrscheinlich sollen wir besser integrieren. Schuld sind jedenfalls wir Deutschen, schon klar. Welch heuchlerischer Artikel!

  • H
    hoko

    an werner müller: was sie schreiben ist antiislamisch. ich warne dringend vor islamophobie. man muss kulturelle eigenheiten berücksichtigen und anerkennen, auch wenn sie auf den ersten blick schmerzhaft sind.

  • A
    aso

    „Es ist der patriarchale Hass auf ein selbstbestimmtes, westliches Leben, das die Männer in diesen Familien den jungen Frauen versagen. Das bleibt ein Skandal. „

     

    Ein Skandal ist die laue Recherche von Hr. Gessler. Statt rumzulavieren und das Motiv in hasserfüllten Männern zu suchen, sollte er mal die Fakten benennen:

    Die Ungleichbehandlung und Minderwertigkeit der Frau ist bereits in Koran / Scharia festgeschrieben. Was in Afghanistan kein Aufreger und Privatsache ist, verstößt hier leider gegen Gesetze. Könnte also bedeuten, daß Koran / Scharia den Tätern wichtiger sind, als unsere Gesetze. D.h. diese bösen Männer haben absolut kein Schuldbewußtsein und fühlen sich im Recht.

     

    Es wäre also auch wichtig bei solchen Familien im Vorfeld zu gucken ob sie wirklich hier angekommen sind. Z.B. mit solchen Fragestellungen: Was wäre, wenn die Tochter nicht mehr jungfäulich sei, fremdginge o.ä. Hätte man manche Familien besser wieder abgeschoben, wären viele Frauen noch am leben.

     

    Und weiter schreibt er:

     

    „Doch Empörung ist der unerlässliche erste Schritt, um die "Ehrenmorde" mitten unter uns zukünftig aus der Welt zu schaffen.“

     

    Wie rührend...o.k., also erstmal sich gebührend empören...und dann?

    Hmm...vieleicht mal ansprechen, daß da so für Frauen „ungünstige“ Passagen in Koran / Scharia stehen? Daß Frauen als Eigentum von Familie / Ehemann gelten?, etcpp.

    Holla, bloß nicht, man könnt ja als islamfeindlich gelten....

  • IN
    Ihr Name werner Müller

    Solche Leute sollte man in die Wüste jagen,denn die bringen ihr Kind um wegen was bitte? Ehrenmord? Das sind Killer und nichts anderes.Die haben hier nichts zu suchen ,denn Mord ist Mord.Es steht nirgends geschrieben,was so was rechtfertigt.