Kommentar Ehrenmord: Die Empörung lässt nach
Die Debatte um Ehrenmorde nimmt ab. Dabei wäre sie wichtig, um diese Probleme aus der Welt zu schaffen.
S chon wieder wurde ein junge Frau aus einer Migrantenfamilie von ihrem Bruder ermordet - weil sie nicht den Erwartungen ihrer Familie entsprach. "Ehrenmord" nennen das manche. Nach dem jetzigen Erkenntnisstand gleichen sich bei all diesen Morden die Motive. Es ist der patriarchale Hass auf ein selbstbestimmtes, westliches Leben, das die Männer in diesen Familien den jungen Frauen versagen. Das bleibt ein Skandal. Aber die öffentliche Empörung darüber nimmt ab.
Kleines Beispiel: Der jüngste Mord in Rees wird in der Bild auf Seite 12 routiniert abgespult. Der Mord an Hatun S. vor vier Jahren in Berlin hatte noch zu einer bundesweiten Debatte über das Phänomen "Ehrenmord" geführt.
Hier hat offenbar eine perverse Art von Gewöhnung Raum gegriffen, mag das Verbrechen noch so schrecklich sein. Das Thema "Ehrenmord" ist sogar in einem "Tatort" verwurstet worden, womit es endgültig als ein Teil des mal mehr und eben mal weniger schönen deutschen Alltags gelten darf. Bei dieser Normalisierung von Mord spielt eine Rolle, dass die Gewalt in Migrantenfamilien stattfindet. Von vielen werden sie als ohnehin nicht zu diesem Land dazugehörig empfunden - nach dem Motto: Was die "Ausländer" so machen, ist doch egal, solange sie sich nur selber schädigen.
Mit hinein spielt wohl auch das allgemeine Krisengerede. Wo vermeintlich bald die ganze Weltwirtschaft zusammenbricht, scheint ein Frauenmord in Rees sekundär. Schließlich spielt auch das normale, wenn auch zynische Auf und Ab der Medienkonjunkturen eine Rolle: Der erste "Ehrenmord" ist noch eine Sensation, der fünfte nicht mehr so. Man sieht dies auch an der Diskussion um das Schulmassaker von Winnenden. Auch das ist fast wieder aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt - nach dem Schulmassaker von Erfurt dauerte die Debatte viel länger.
Nun sagt die Dauer einer Debatte nichts über ihre Qualität. Doch Empörung ist der unerlässliche erste Schritt, um die "Ehrenmorde" mitten unter uns zukünftig aus der Welt zu schaffen.
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