Kommentar Eherecht: Zwischen Büttenreden und Bedenken
Wie immer, wenn die Union vor der Stärkung der Religionsfreiheit und den Gefahren für die Gleichberechtigung der Frau warnt, geht es nicht um die Papisten, sondern um den Islam.
Christian Rath ist Rechts-Korrespondent der taz.
Politische Aussagen auf dem Niveau von Karnevalsreden, das schafft der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz zu allen Jahreszeiten. Jetzt hat er die bereits beschlossene Reform des Eherechts kritisiert, weil sie es ermögliche, dass jemand "in 24 Kirchen 24 verschiedene Partner" heiraten kann. Aber auch wenn es nur zwei oder drei Kirchen und Partner sind: Wo ist das Problem? Wenn die Gläubigen das gut finden und die Kirchen das mitmachen, ist das ihre Sache. Der Staat ist nicht verantwortlich, Religionen auf Sinn und Unsinn zu kontrollieren, da hätte er viel zu tun
Entscheidend ist, dass die rechtliche Wirkung der Ehe im Steuerrecht, im Erbrecht, im Ausländerrecht allein von der staatlich durchgeführten Heirat auf dem Standesamt ausgeht. Was die Kirchen darüber hinaus erlauben, ist so gesehen kaum mehr als Folklore.
Wirklich erstaunlich ist aber, dass auch die CSU die Reform ablehnt. Viele hatten ja gedacht, es sei ein Kniefall der Unionsparteien vor der katholischen Kirche, dass jetzt religiöse Heiraten (ohne Standesamt) erlaubt werden. Doch die christlich-soziale Partei sieht darin einen "Rückfall ins Mittelalter". Und wie immer, wenn die Union vor der Stärkung der Religionsfreiheit und den Gefahren für die Gleichberechtigung der Frau warnt, geht es nicht um die Papisten, sondern um den Islam.
Wird aber Vielehen und Zwangsheiraten tatsächlich mit der Reform "Tür und Tor geöffnet", wie die SPD-Politikerin Seyran Ates warnte? Strafrechtlich bleibt beides nach wie vor verboten. Doch das strafrechtliche Verbot bezieht sich nur auf standesamtlich geschlossene Ehen. Die reine Imam-Ehe erfasst das Strafrecht nicht. Das greift möglicherweise zu kurz. Denn es ist denkbar, dass eine Frau, die von den Verwandten zu einer Imam-Ehe mit einem ungeliebten oder gar unbekannten Mann gezwungen wurde, deren Aufrechterhaltung als religiöse Pflicht empfindet. Zu überlegen ist deshalb, ob auch bei Imam-Ehen ohne Standesamt ein strafrechtlicher Schutz vor Zwangsheiraten eingeführt werden muss - oder ob die Imam-Ehe dadurch erst richtig aufgewertet wird. CHRISTIAN RATH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!