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Kommentar Ehec-MaßnahmenIm Zweifel für den Verbraucher

Kommentar von Richard Rother

Die Gemüsebauern dürfen keinen Ehec-bedingten Schadenersatz bekommen – sonst wird in Zukunft nie wieder vor potenziell gefährlichen Produkten gewarnt.

D iese Gurken waren es nicht! So viel steht seit Donnerstag fest. Die Ehec-Keime, die auf den vier in Deutschland untersuchten Gurken nachgewiesen wurden, gehören zu einem anderen Typ als die Ehec-Keime, die für die Darmkrankheit verantwortlich sind. Dürfen wir also wieder nach Herzenslust Gurkensalat essen? Nein! Nach wie vor gilt die Warnung der Gesundheitsbehörden, Gurken, Salat und Tomaten nicht roh zu verspeisen. Diese Warnung ist berechtigt, auch wenn Bauern und Handel Umsatzeinbußen hinnehmen müssen.

Eine Befragung von Ehec-Erkrankten in Hamburg ergab, dass diese signifikant häufiger rohe Gurken, Salat und Tomaten gegessen hatten als Nichterkrankte. Das kann ein Zufall sein - muss es aber nicht. Im Zweifel für den Verbraucher: Niemand stirbt, wenn er ein paar Wochen keine Gurken isst; an der Ehec-Erkrankung sind aber schon 17 Menschen gestorben, und Hunderte sind schwer erkrankt.

Wer die Verluste der Bauern beklagt, sollte gegenrechnen, welche hohen Kosten diese Krankheitswelle verursacht - vom menschlichen Leid abgesehen. Im Unterschied zu anderen kleinen und großen Lebensmittelaffären in Deutschland geht es bei der Ehec-Erkrankungswelle wirklich um Leben und Tod. Deshalb ist höchste Vorsicht geboten, und deshalb war die Warnung vor spanischen Gurken berechtigt, weil auf drei Exemplaren Ehec-Erreger nachgewiesen wurden, auch wenn die sich nun als "unschuldig" erwiesen haben. Ehec-Erreger haben auf Gurken nichts zu suchen!

Den betroffenen Gemüsebauern in Europa kann und muss unbürokratisch geholfen werden. Eine juristische Anerkennung von Schadenersatzansprüchen aber wäre fatal: Kämen die Bauern damit durch, würde nie wieder eine Behörde vor möglicherweise gefährlichen Produkten warnen, solange die Gefahren nicht zweifelsfrei bewiesen sind. Das wäre das Gegenteil von Verbraucherschutz, denn im Ernstfall bleibt den Behörden dafür keine Zeit. Siehe Ehec.

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Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.
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15 Kommentare

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  • K
    Kalle

    Wie sich Vegetarier und Fleischesser alle im Besitz der absoluten Wahrheit wähnen, unterschreitet auf beiden Seiten mal wieder jedes noch so niedriege Argumentative Niveau.

     

    Ehec ist ein Darmkeim, der nur von Tieren stammen kann. Und multiresistent ist er, weil Massentierhaltung ohne Antibiotika gar nicht funktionieren würde.

    Dieser Aspekt kommt in der aktuellen Berichterstattung viel zu kurz, obwohl der Anlass ausgezeichneter nicht sein könnte.

    So weit haben die Vegetarier recht und auch eine sehr viel tiefere Einsicht in das Gesamtgeschehen.

     

    Trotzdem waren Eheckeime auf Gurken.

    Dass es nicht der Stamm war, der die Epedimie ausgelöst hat, dass er nicht auf den Gurken entstanden sein kann, sondern nur im Darm von massengehaltenen Tieren, usw., das ist doch alles schnuppe.

    Man kann von jedem Ehec-Keim krank werden, ob der sich auf ner Gurke befindet oder auf Hackfleisch. Und das wissen die Vegetarier auch.

    Sogar im aktuellen Faltblatt der veganen Gesellschaft Deutschland wird letztendlich dazu geraten, Gemüse zur Zeit besonders gründlich zu waschen.

    Aber wenn dieselbe Meldung vorher in anderen Medien stand, dann sind die natürlich direkt von der Fleischindustrie bezahlt gewesen. Und solche Paranoia ist einfach nur durchgeknallt.

     

    Man soll Gemüse waschen und Fleisch garen. Göttin, sind diese Empfehlungen wirklich etwas derart Revolutionäres? Weiß das nicht eh jeder, der schon mal irgend etwas selber gekocht hat?

  • D
    Daedalus

    Moin,

    bei all den netten Verschwörungstheorien hier, warum erkranken deutlich mehr (80:20) Frauen als Männer? Das hat sicher nichts mit Gemüse und Gülle zu tun, hat aber sicher einen Grund .. Für mich deutet das Verhältnis auf die Geschlechterverteilung in den Pflegeberufen hin ..

  • V
    vic

    @ Lena65

    "Rohkost ist keine typisch menschliche Nahrung"

     

    Ich muss doch bitten; ich bin Vegetarier - und Mensch;)

  • K2
    Kernel 2.6.42.1

    Wiederkäuer wie Rinder gehören auf die Weide. Die Zufütterung von Kraftfutter etc. bewirkt, das die Darmflora zur E. Coli. Brutmaschine umgestellt wird.

     

    Da liegt das Problem.

     

    Gülle ist ein wertvoller Dünger, muß aber intelligent eingesetzt werden.

     

    Weg mit der intensiven Landwirtschaft.

  • L
    Lächerlich

    Was soll der Blödsinn?

    Eine pauschle Warnung vor einer gesamten Produktgruppe ist hier in doppeltem Sinne unsinnig.

     

    1. Weil es gerade bei Gemüse extrem einfach ist, durch wenige Maßnahmen sich pefekt vor einem möglichen Erreger schützen zu können -> WASCHEN, SCHÄLEN, KOCHEN.

     

    Die war bei schädlichen Hormonen und Giften im Fleisch oder bei Dioxin in Eiern alles NICHT möglich, da konnte man waschen, schälen oder kochen wie man wollte, das Dioxin verschwindet dadurch nicht....komischerweise hat aber niemand pauschal vor dem Verzicht von Fleisch oder Eiern gewarnt!

     

    2. Gibt es weder einen kausalen Zusammenhang, geschweige denn einen einzigen Beleg, dass der Auslöser überhaupt mit dem Verzehr von Gemüse zusammenhängt. Genauso kann der Erreger von tierischen Produkten stammen oder von einer kontaminierten Trinkwasserversorgung.

     

     

    Es ist vollkommener Schwachsinn pauschal vor Gurken oder noch dümmer vor Gemüse zu warnen. Die tatsächliche Quelle ist völlig unbelegt und ausgerechnet bei Gemüse ist die Prävention extrem einfach und sicher: waschen, schälen oder drei Minuten bei mehr als 70 Grad erhitzen - fertig!!

     

    Gemüse kann nur (wenn überhaupt) oberflächlich kontaminiert sein und eben nicht wie Dioxin-Eier oder Gammelfleisch direkt im Produkt.

  • S
    Sonja

    Geheimniskrämerei

    Wie ich lesen konnte, ist der Gemüsehandel organisiert wie illegaler Drogenhandel: Jeder kennt nur seinen direkten Lieferanten und seinen direkten Abnehmer. Dabei sind 6 Glieder in der Kette keine Seltenheit.

    Ich habe noch nirgends gelesen, dass es inzwischen eine Eilverordnung gibt, wonach jeder Großmarkt auf Anfrage sofort Auskunft geben muss über Ursprung und Endunkt (Einzelhandel) seiner Produkte. Und dass jeder Einzelhändler von jeder Gemüsekiste den Betrieb nennen muss, aus dem der Inhalt kommt!

     

    Liebe Tazler! Könntet ihr das bitte recherchieren? Könntet ihr uns dann im negativen Falle das Gestammel schwarz auf weiß rüberbringen, mit dem zuständige Politiker begründen, warum das angeblich nicht geht?

     

    Bei 1200 Erkrankten könnte man ca zehntausend potentiell Landwirtschaftsprodukte und ihren jeweiligen Erzeuger katalogisieren und könnte am Tag der Krankenhauseinweisung noch feststellen, wo die Fäden zusammenlaufen. Wenn von derselben Lieferung nichts mehr übrig ist, kontrolliert man sofort die Folgelieferung.

     

    Stattdessen tapsen die Kontrolleure über die Märkte, nehmen hier ein Gürkchen, da ein Tomätchen...

    Rechnet mal nach: In den nordwestlichen Bundesländern sind von 13 Millionen 1.200 erkrankt. Das ist einer von 10.000! In 2 Wochen! Und da glauben die im Ernst dass ihnen da ein infizierter Salatkopf ganz zufällig vor die Füße rollt???

  • M
    Michael

    Spanische Gurken waren nun mal mit EHEC infiziert - wenn auch nicht mit der gefährlichen Variante. Die Warnung zuvor war richtig! Jetzt scheint es so zu sein, dass in Norddeutschland die Ursache zu suchen ist - aber wo? Es gibt mehrere Möglichkeiten: welchen Einfluss hatte das Wetter in den letzten Wochen? Die extreme Trockenheit könnte für die Streuung der Bakterien auf landwirtschaftliche Nachbarfelder mit beigetragen haben. Auch Biogasanlagen könnten eine geeignete Brutstätte sein. Wäre da noch die Massentierhaltung mit hohem Einsatz von Antibiotika, in der sich zunehmend resistente Bakterien bilden. Sind wir also selbst Schuld an dieser schlimmen EHEC-Welle? Wenn ja, müssen wir alle umdenken und die nachhaltige ökologische Landwirtschaft unterstützen, damit wir solchen aggressiven Bakterien keinen Nährboden mehr geben.

  • T
    Thomas

    Ist es nicht so dass Lebensmittel in Deutschland einen im Verhätlnis zum Einkommen viel zu geringen Preis haben. Also nicht wirkich alles Zufall. Die Lebensmittelriesen diktieren den kleinen Erzugern den Einkaufspreis. Anschließend läuft der mündige KUnde in die Rabatt-Diskounter. Wer an die lange trocken Zeit im Norden denkt, vielleicht hat da jemand mit Dünger "gewässert". Alles Spekulation, wie heisst der Titel von Sarazins Buch nochmal ..?

  • D
    Denker

    Also, ich will ja keine Panik verbreiten, aber seltsam ist das alles schon! Kann das nicht auch ein Anschlag sein? Es wundert mich nur, dass das so auf Hamburg konzentriert ist. Klar Einzelfälle auch in anderen Städten und NAchbarländer, aber der Ausbruch fand regional statt und das finde ich sehr seltsam. Ich habe einfach nur ein sehr ungutes Gefühl bei dem Mist. Und in der heutigen Zeit liegt eine solche Vermutung m.E. nahe. Ich bin kein Journalist und habe keine Ahnung wie man einem solchen Gedanken nachgehen könnte, aber wäre es nicht legitim, diesen Gedanken mal als Grundlage für eine Recherche anderer Art zu nehmen. Wie gesagt, ich will keine Panik verbreiten, aber komisch ist das schon, oder?

  • E
    Eli

    Ich verstehe nicht, warum sich die Suche so ausschließlich auf rohes Gemüse konzentriert. Bei den ganzen Warnungen heißt es zudem, dass nicht die Menge entscheidend ist, sondern schon ein paar wenige Bakterien ausreichen. Außerdem hieß es, dass Tiefkühlen nicht schützt. Wenn jemand 6x die Woche Gemüse isst, und 1x die Woche Fleisch oder Fisch, kann er/sie sich trotzdem die EHEC-Bakterien von einem vielleicht winzigen Stück Fisch oder Fleisch geholt haben, und obwohl gerade in der Fleischbranche immer wieder Skandale vorkamen, wird hier überhaupt nicht ermittelt. Wenn man sich die Zahlen ansieht, deutet viel darauf hin, dass das Ausgangszentrum in Hamburg lag oder (im schlimmsten Fall) immer noch liegt - interessant ist auch, wenn man sich anschaut, wie in den Bundesländern rundherum die Fallzahlen verteilt sind - es scheinen jene Gebiete weniger betroffen zu sein, die (vermutlich) vorwiegend von anderen Häfen beliefert werden oder Binnenstaaten weitab von Hamburg sind.

    Die Erkrankten waren ja nicht allesamt VegetarierInnen - umgekehrt scheint das Thema von akut EHEC-Betroffenen in Foren von VegetarierInnen so gut wie nie vorzukommen, das ist doch extrem unwahrscheinlich, wenn diese Zielgruppe wirklich die hauptbetroffene wären, würde das ja auch thematisiert in deren Foren und Blogs und Webpages, dann gäbe es ja speziell im Norden genug Menschen, die Angehörige oder FreundInnen mit EHEC haben.

    Von wievielen Erkrankten ist eigentlich bekannt, dass sie sich ausschließlich vegetarisch oder vegan ernährten?

  • W
    Wolle

    Hallo,

     

    Tomaten -Salat-Gurken, alles was in den Darm soll muß abgewaschen werden , das ist nicht jedem klar.

     

    Gurken ohne Schale essen , war klar ! Restaurants die Gurken mit Schale auf den Teller legen, waren schon immer Keimschmieden. (Ungelernte Kneiperköche) Die Gurkenschale haben bei uns

    noch nicht mal die Schweine bekommen, damit sie nicht krank wurden. Mir nichts neues!

    Gruß Wolle

  • L
    Lena65

    Mit solchen Erregern hatte es der Mensch schon immer zu tun, selbst in der Steinzeit. Bis er dann das Feuer erfand.

     

    Rohkost ist keine typisch menschliche Nahrung. Ich verstehe wirklich nicht, wie sich diese Fehlentwicklung durchsetzen konnte.

  • M
    Martin

    Panik im Panikschland.

    BSE, Schweinegrippe, EHEC und naechstes Jahr vielleicht den supergefaehrlichen Brottuberkel, der erst noch erfunden werden muss.

    Meine Frage an das hysterische Volk: Warum fahren Sie noch Auto? Waehrend ich diese Zeilen tippe sind einige Artgenossen durch Unfall ums Leben gekommen. Leider, aber gestorben wird immer. Ich, Sie, irgendwann und irgendwo. Das war schon immer so und wird auch immer so sein. Keine Panik also!

  • E
    ebo

    ich schließe mich der meinung von wauz an. auch an der zahl der fälle (die übrigens niedriger ist als bei den ehec-ausbrüchen der vergangenen jahren) kann der vernünftige mensch mit geringen aufrwand einer weniger gehirnzellen erkennen, daß hier nur wieder mal "eine sau durch den ort getrieben wird". während die sogenennten medien aha rufen, wird im hintergrund wieder jemand, einige oder alle ausgeraubt.

  • W
    wauz

    Die Gurken-Lüge

    Eigentlich ist ea längst eine Binsenweisheit, dass eine Korrelation keine Kausalität ist. Wenn Erkrankte gerne und viel Gurken, Tomaten und Salat essen, ist das noch kein Beweis dafür, dass die EHEC-Erreger von diesem Gemüse stammen. Es könnte - Achtung, reine Hypothese! - auch so sein, dass menschen mit überwiegend vegetarischer Ernährung seltener mit EHEC-Erregern in Berührung kommen und daher weniger resistent sind. Kämen die Erreger aus dem Ausland, müsste dort ein herd sein und es auch dort zu Ausbrüchen der Krankheit gekommen sein. Die Infektionsrate spricht eher dafür, dass diese schicken, neuen Erreger ein deutsches Produkt sind.

    Und die Erfahrungen mit coliformen und anderen Darmkeimen sprechen eher für flüssige und teigige Überträger. Also Wasser, Getränke, Mett und Käse.

    Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Urheber der gurken-Warnung das sehr genau wissen und absichtlich eine Flaschinformation abgelassen haben, um von den wahren Ursachen abzulenken. Dies mag in der Hoffnung geschehen sein, dass die Erkrankungswelle (Nein, es ist noch keine Epidemie!) einfach abebbt und man dann den "Erfolg" dieser irrwitzigen QWarnung zuschreiben kann.

    Der Schaden, der daraus erwachsen ist und weiter wachsen wird, besteht nicht nur in ökonomischen Dimensionen. Viel schlimmer ist, dass Menschen in Deutschland viel weniger unverarbeitende Lebensmittel essen werden. Das wird ihrer Gesundheit abträglich sein.

    Außerdem sind wir jetzt bei den ökonomischen Interessen angelangt. Die industrielle Landwirtschaft erzeugt die Risiken, die die Lebensmittelindustrie zu bekämpfen verspricht. Das passt in ein gängiges Muster. Die HACCP-Norm erlaubt Lebensmittelerzeugung faktisch nur noch unter industriellen Bedingungen. Hier geht es um Geld und Macht. Nestlé, Kraft und Co werden es den behörden im Stillen danken. (Vielleicht mit einigen schicken nettigkeiten?) (Lebensmittelindustrie: s.a. http://de.wikipedia.org/wiki/Lebensmittelindustrie)

    Warnungen zum Schutze der Verbraucher sind zu begrüßen. Warnungen zum Schaden der verbraucher sind es nicht. Diese warnung war zum Schaden der verbraucher und zum Schaden von Rohstoffproduzenten, aber zum Nutzen einer weitervarbeitenden Industrie, die auch in der Vergangenheit nicht durch Sorge ums Gemeinwohl oder besondere Skrupel aufgefallen wäre.

    Ich wünsche mir von der taz hier vertiefte Recherche.

    (Et ceterum censeo, die taz braucht eine Spendenmöglichkeit über Handy, nicht mobiles Internet!)