Russischer Importstopp wegen Ehec: Wohl Verstoß gegen WTO-Regeln
Der von Russland verhängte Importstopp für europäisches Gemüse könnte den Regeln der Welthandelsorganisation widersprechen. Der Gurken-Falschmeldung könnten EU-Entschädigungen folgen.
WASHINGTON/BERLIN/MADRID/MOSKAU afp/dapd | Auch in den USA gibt es Ehec-Verdachtsfälle. Vermutlich hätten sich drei Menschen, die Deutschland besucht hätten, mit dem Darmkeim infiziert, teilte ein Sprecher der US-Gesundheitsbehörde CDC am Donnerstag mit. Es handele sich aber wahrscheinlich nicht um die tödliche Variante des Keims.
In Deutschland starben nach jüngsten Angaben bereits 17 Menschen sowie eine Frau in Schweden, die zuvor in Deutschland war. Der Ehec-Keim kann zum hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) führen, das akutes Nierenversagen auslösen kann. Infektionsfälle wurden auch aus Großbritannien, den Niederlanden, Dänemark und Spanien gemeldet. Sie alle sollen im Zusammenhang mit dem Ausbruch in Deutschland stehen.
Unterdessen telefonierte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem spanischen Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero. Wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Donnerstag Abend in Berlin mitteilte, sprachen die beiden über "die Folgen der Ehec-Infektionen". Merkel und Zapatero seien sich einig gewesen, "dass es jetzt vorrangig darum gehe, die Infektionsquelle des Ehec-Erregers zu identifizieren, um weitere Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung ergreifen zu können".
Merkel könnte sich für EU-Entschädigungen einsetzen
Bundeskanzlerin Angela Merkel zieht nach Angaben der spanischen Regierung auch in Betracht, auf eine Entschädigung der Europäischen Union für spanische Bauern zu dringen, nachdem deren Produkte fälschlich für den Ehec-Ausbruch in Deutschland verantwortlich gemacht wurden.
Die Regierung in Madrid teilte auf ihrer Webseite außerdem mit, dass Merkel bei einem Telefonat mit dem spanischen Ministerpräsidenten José Luis Rodriguez Zapatero ihr Bedauern über den angerichteten Schaden ausgedrückt habe. Die Hamburger Behörden, die spanische Gurken als mögliche Ursache für die Infektionen durch den Darmerreger genannt hatten, hätten allerdings in Einklang mit deutschem Recht gehandelt. Die später zurückgezogene Anschuldigung hatte zu großen finanziellen Verlusten für die spanische Landwirtschaft geführt, offizielle Zahlen wurden noch nicht genannt.
Zapatero hatte zuvor wegen der sich als falsch erwiesenen Einstufung von spanischen Gurken als Quelle für die Infektionen von der EU Entschädigungen gefordert. Laut Seibert zeigte Merkel "großes Verständnis für die wirtschaftliche Notlage des spanischen Gemüsesektors", aber auch andere europäische Gemüseerzeuger seien betroffen. Merkel und Zapatero vereinbarten der Erklärung zufolge, sich auf europäischer Ebene um Hilfen für die betroffenen Landwirte zu bemühen.
Russischer Importstopp wohl Verstoß gegen WTO-Regeln
Im russischen Import-Stopp für Gemüse aus der EU wegen des tödlichen Darmkeims Ehec sieht der Russland-Gesandte der Europäischen Union, Fernando Valenzuela, einen Verstoß gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO). Russland wolle der WTO beitreten und auch die EU hoffe, dass dies bald geschehe, sagte Valenzuela am Freitag bei einer Pressekonferenz in Moskau. Dies erfordere allerdings die Einhaltung zahlreicher Regeln "und sicherlich steht das Importverbot, das von den russischen Gesundheitsbehörden erlassen wurde, nicht im Einklang mit diesen Regeln". "Es ist ein bisschen überraschend, dass Sie Maßnahmen ergreifen, die in die entgegengesetzte Richtung gehen", fügte der EU-Gesandte hinzu.
Russland hatte am Donnerstag ein Importverbot für Gemüse aus der gesamten EU verhängt. Die russische Verbraucherschutzbehörde Rospotrebnadsor erklärte später auf ihrer Website, dass sie das Verbot erst nach der Aufklärung der Herkunft und der Verbreitungswege von Ehec aufhebe. Die zuständigen Stellen in Deutschland und in der EU müssten klären, durch welche Lebensmittel der Erreger übertragen werde und woher diese kämen. Außerdem müssten die EU-Behörden nachweisen, dass sie die Lage unter Kontrolle gebracht hätten. Die EU-Kommission hatte gegen den Import-Stopp protestiert und seine sofortige Aufhebung gefordert.
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