Kommentar Ehec-Jagd: Keime, Krisen, Konsequenzen
Mit einer Superbehörde wäre die Jagd nach den Ehec-Keimen viel effektiver, sagen Kritiker. Dabei gab es die schon einmal. Sie wurde zerschlagen - wegen vieler Super-Skandale.
E in paar Schuldige für die Ehec-Epidemie scheinen jetzt ausgemacht zu sein: die Gesundheitspolitiker und die beamteten Gesundheitswächter beim Robert-Koch-Institut (RKI) sollen dafür verantwortlich sein, dass die Epidemie noch nicht eingedämmt ist. Am Pranger steht auch - wieder einmal - das föderal aufgebaute Krisenmanagement. Abhängig von der eigenen Interessenlage kommen dann von den Kritikern sehr unterschiedliche Vorwürfe.
Warum liegt das Krisenmanagement nicht in den Händen eines Instituts? Warum gibt es neben der Bundesbehörde RKI noch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und - um das Kompetenzwirrwarr komplett zu machen - auch noch ein Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)? Warum werden dieses drei Oberbehörden nicht in eine einzige, schlagkräftige Institution zusammengefasst?
Diese Fragen sind jetzt immer lauter zu hören. Eine Antwort darauf gibt es jedoch bereits. Denn wir hatten eine solche Superbehörde schon einmal: das Bundesgesundheitsamt (BGA), das nach einer Reihe von Skandalen 1994 aufgelöst wurde. Zuletzt war es der Skandal mit HIV-verseuchten Blutpräparaten, der dem BGA ein Ende bereitete.
Die drei Bundesbehörden und die Arzneimittelbehörde in Bonn sind die Nachfolgeinstitutionen. Die Aufteilung mit unterschiedlichen Kompetenzen erfolgte unter anderem auch, damit eine gegenseitige Kontrolle stattfinden kann. Beim damaligen BGA fehlte dieser Gegenpart, sodass so manches Problem erst einmal in der Schublade verschwand. Der HIV-Skandal war nur einer davon.
WOLFGANG LÖHR ist Wissenschaftsredakteur der taz. Seine Diplomarbeit in Biologie hat er noch beim später zerschlagenen Bundesgesundheitsamt in Berlin gemacht.
Bevor jetzt vorschnell gefordert wird, wieder eine Superbehörde zu schaffen, sollte doch erst einmal eine eingehende Analyse über die Schwachstellen des Krisenmanagements abgewartet werden.
Aber vor allem muss der Vorwurf, die Warnungen aus Hamburg und vom RKI seien verfrüht gewesen, weil nur Hinweise auf eine mögliche Infektionsquelle vorlagen, energisch zurückgewiesen werden. Die schnelle Warnung vor den Gurken, Tomaten und Salatköpfen aus Niedersachsen und zum Schluss vor den Keimlingen war das einzig Richtige.
Dazu gehört auch, dass es einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der Ehec-Warnungen nicht geben darf. Finanzielle Hilfen für in Not geratene Landwirte? Ja, selbstverständlich! Aber kein Schadensersatz, denn dann würde es künftig nur noch sehr selten eine Verzehrwarnung geben. Für viele Menschen wäre das tödlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften