Kommentar Edathy-Affäre: Keine Strafe für faires Verhalten

Ex-Innenminister Friedrich wird strafbares Verhalten vorgeworfen, weil er die SPD wegen Edathy warnte. Das ist zu einfach.

Alles aus dem Blick verloren? Der ehemalige Innenminister Hans-Peter Friedrich. Bild: dpa

Nehmen wir mal an, der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hätte den Kinderporno-Verdacht gegen den begabten SPD-Abgeordneten Edathy für sich behalten. Vielleicht wäre Edathy nach der Koalitionsbildung Staatssekretär geworden. Und im Februar hätte es eine Durchsuchung bei ihm gegeben.

Dann hätte die SPD einen großen Kinderporno-Skandal am Hals gehabt, Edathy wäre in dieser Position noch mehr fertig gemacht worden und alle hätten sich gefragt, warum Friedrich mit seinem Herrschaftswissen die SPD scheinheilig und vermeintlich schadenfroh in den Skandal laufen ließ.

Das wäre also offensichtlich auch keine sinnvolle Lösung des Dilemmas gewesen. Also muss es einen ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund geben, in einer derart ungewöhnlichen Situation die Spitze der konkurrierenden Partei von dem Verdacht zu informieren. Was die parlamentarische Fairness erfordert, muss auch rechtliche Wirkung haben. Es kann nicht sein, dass Friedrich jetzt als Täter einer Verletzung des Dienstgeheimnisses dasteht, weil er sich gegenüber dem politischen Konkurrenten fair verhalten hat.

Friedrich allerdings verteidigt sich ungeschickt (wie er sich ja oft ungeschickt verhält - weshalb er inzwischen auch nicht mehr Innenminister ist). Seine Behauptung, er durfte die Information damals an die SPD weitergeben, weil es ja noch nicht um einen strafrechtlichen Vorwurf gegen Edathy ging, ist Quatsch. Denn natürlich ist auch eine polizeiliche Information im Vorfeld eines Verdachts schon ein Dienstgeheimnis, das ein Innenminister nicht ohne rechtlich tragfähigen Grund weitergeben darf.

Nicht alle Sozis plaudern

Nun wird zwar eingewandt, dass Friedrich mit dem Hinweis an die SPD-Spitze die Ermittlungen gegen Edathy gefährdet hat. Dieses Risiko durfte er aber eingehen, wenn er die SPD-Spitze darauf verpflichtet, die Information über Edathy nur für Zwecke der Regierungsbildung zu verwenden und weder ihn noch die Medien zu informieren. Es gibt auch keinen Erfahrungssatz, dass Sozialdemokraten generell keine Informationen für sich behalten können.

Dass Edathy wohl ab November letzten Jahres spürte, wie sich etwas über ihm zusammenbraut, kann zwar ein Indiz für eine Indiskretion aus der SPD sein. Aber es gibt auch viele andere mögliche Gründe. So hat Edathy sicher mitbekommen, dass in Kanada gegen die Firma ermittelt wird, von der er einst Bilder bezogen hatte. Außerdem sind an strafrechtlichen Ermittlungen viele Personen beteiligt, so dass es auch viele potentiell undichte Stellen gab. Das beweist schon die Anwesenheit der Nienburger Lokalzeitung "Die Harke" bei der Durchsuchung von Edathys Wohnung. Den Journalisten hat sicher nicht SPD-Chef Gabriel geschickt.

Ermittlungen ins Blaue hinein?

Wenn die Ermittler nun klagen, sie hätten bei der Durchsuchung von Edathys Wohnungen nichts gefunden, weil dieser wohl vorgewarnt war, so fragt man sich, warum die Ermittler eigentlich so lange warteten. Schließlich beauftragte Edathy bereits im November 2013 einen Rechtsanwalt, der bei verschiedenen Staatsanwaltschaften nachfragte, ob gegen Edathy ermittelt wird. Nach Informationen der SZ sprach der Anwalt auch mit der Polizei und verhandelte noch am 22. Januar mit den Ermittlern. Wer einem Verdächtigen, der offensichtlich vom Verdacht weiß, noch zwei Monate Zeit gibt, bis eine Hausdurchsuchung stattfindet, braucht sich über einen mangelnden Überraschungseffekt nun wirklich nicht zu beschweren.

Fragwürdig ist aber auch, wie die Staatsanwaltschaft Hannover überhaupt zu ihrem Anfangsverdacht gegen Edathy kam. Bisher ist nur bekannt, dass der Abgeordnete bei der kanadischen Firma Bilder mit nackten Jungs bestellte, die in Deutschland nicht strafbar sind. Das allein sollte als Anlass für eine Hausdurchsuchung nicht genügen.

Ein Erfahrungssatz, dass jemand, der legale Bilder von nackten Kindern besitzt, auch illegale Bilder (zum Beispiel mit sexuellen Posen) besitzen müsse, befremdet. Ist es so abwegig, dass jemand mit derartigen Neigungen versucht, sich im Rahmen des Legalen zu halten? Bei einem Autofahrer, der laut Radarkontrolle genau so schnell fuhr wie gerade noch erlaubt war, unterstellt auch niemand, dass er sonst wohl unerlaubt schneller fährt.

Gerade bei einem so vernichtenden Verdacht wie dem Besitz von Kinderpornographie kann man von Polizei und Staatsanwaltschaft erwarten, dass sie nicht ins Blaue hinein Wohnungen durchsuchen, sondern sich auf konkrete Verdachtsfälle konzentrieren. Neben Edathy, Friedrich und der SPD-Spitze müssen auch die Hannoveraner Ermittler noch einige Fragen beantworten.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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