Kommentar EU und Bundestag: Europapolitik ist Innenpolitik

Ein Fluchtweg wurde geschlossen: Dass die Bundesregierung den Bundestag über jeden Vertragsabschluss informieren muss, verhindert den Rückfall alte Zeiten.

Das Bundesverfassungsgericht hat einen Rückfall verhindert. Auch wenn die Bundesregierung Verträge schließt, die formal nicht zur EU gehören, muss der Bundestag an der Aushandlung voll beteiligt werden. Die Verfassungsrichter haben damit ein gefährliches Schlupfloch geschlossen.

Früher galt Europapolitik als Außenpolitik. Der Bundestag hatte nichts zu sagen. Die Regierungen konnten weitgehend machen, was sie wollten. Auch das Europäische Parlament hatte wenig zu melden.

Doch das ist lange her. Heute ist europäische Politik eindeutig Innenpolitik. Das Europaparlament muss fast überall zustimmen und die Bundesregierung steht im Ministerrat unter der Kontrolle des Bundestags und damit auch der deutschen Öffentlichkeit. Die EU ist heute also auf beiden Ebenen – in Brüssel und in Berlin – demokratischer als noch vor zwanzig Jahren.

Umso unverständlicher und peinlicher, dass die Regierung Merkel/Westerwelle allen Ernstes behauptete, für die Aushandlung des Euro-Rettungsschirms gälten wieder die alten Regeln. Ausgerechnet so ein zentrales Projekt – mit dem der Euro, die Europäische Union und überhaupt die europäische Idee gerettet werden sollen – wollte die Bundesregierung im alten Stil beschließen, als gäbe es all die erreichten demokratischen Fortschritte gar nicht.

Die Verfassungsrichter haben nun aber mit aller angebrachten Selbstverständlichkeit erklärt, dass das nicht geht. Es darf keine Fluchtwege aus der Demokratie geben. Der Bundestag muss bei allen De-facto-EU-Projekten voll informiert und beteiligt werden.

Ob das zu einer anderen, einer besseren Politik führt, hängt dann aber auch an uns, der zivilgesellschaftlichen Öffentlichkeit. Nur wenn wir uns für die gelegentlich komplizierte EU-Politik auch angemessen interessieren, ist Europapolitik wirklich Innenpolitik.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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