Kommentar EU-Krisengipfel: Jetzt fängt die Arbeit erst an
Das neue Eurorettungspaket ist ein großer und wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Zurücklehnen dürfen sich die Politiker jetzt aber nicht.
V ielleicht hat Angela Merkel die Eröffnung der europäischen Börsen verschlafen, weil sie bis zum frühen Morgen mit ihren Kollegen in Brüssel verhandelt hat. Aber spätestens beim Aufstehen wird ihr dann ein Stein vom Herzen gefallen sein: Die Märkte reagierten positiv auf das in der Nacht beschlossene Eurorettungspaket. Der Dax sprang gleich bei Eröffnung der Frankfurter Börse um mehr als drei Prozent nach oben.
Es scheint so, als wäre den Staats- und Regierungschefs der Euroländer in der Nacht zum Donnerstag endlich der Befreiungsschlag gelungen: Den Griechen wird die Hälfte ihrer Schulden erlassen. Die Banken haben ihre Beteiligung zugesagt und der Rettungsschirm EFSF ist noch einmal gestärkt worden. Sogar Italien hat seine Hausaufgaben gemacht und in Brüssel ein Sparprogramm vorgelegt.
Nach unendlich vielen Trippelschritten haben sich die Politiker diesmal zu einem echten Sprung durchgerungen und zum ersten Mal müssen für die Krise nicht nur die Steuerzahler herhalten, sondern auch die privaten Gläubiger – also Banken, Versicherungen und andere Investoren.
ist Korrespondentin der taz in Brüssel.
Allerdings dürfen sich die Euroretter auch nach diesem Gipfel nicht zurücklehnen. Die eigentliche Arbeit fängt jetzt erst an: Experten müssen bis Ende des Jahres die Dokumente ausarbeiten, die den Tausch der griechischen Anleihen erst möglich machen.
Und vor allem müssen die Länder sich langfristig von einer Politik verabschieden, die immer mehr Schulden anhäuft. Ein radikaler Schuldenschnitt ist in einem Ausnahmefall sicherlich tragbar, aber er ist nicht beliebig wiederholbar in der Eurozone. Italien, Spanien, Irland aber auch Länder wie Frankreich, Belgien und nicht zuletzt Deutschland müssen aus eigener Kraft ihre Staatsschulden abbauen und dafür sorgen, dass nicht jedes Jahr weitere Milliardenkredite hinzukommen.
Nur wenn die Regierungen tatsächlich aus der Krise lernen und verantwortungsvoller mit den Steuergeldern und der Zukunft ihrer Länder umgehen, sind die Beschlüsse von Donnerstagnacht tatsächlich der Anfang von dem Weg aus der Krise.
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