piwik no script img

Kommentar ESM-UrteilKarlsruhe bleibt im Spiel

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das Bundesverfassungsgericht ist ein ständiger Unruheherd in der Eurorettung. Jetzt beginnt ein Streit über die Politik der EZB.

N ach dem Urteil ist vor dem Urteil. Das Bundesverfassungsgericht ist ein ständiger Unruheherd in der Eurorettung. Kaum hat es den ESM-Rettungsschirm mit kleinen Auflagen akzeptiert, beginnt es einen Streit über die Politik der Europäischen Zentralbank. Noch im Herbst soll dazu eine neue Verhandlung stattfinden. Eine Beruhigung der Märkte sieht anders aus.

In seinem Urteil hat Karlsruhe den ESM-Rettungsschirm für verfassungskonform erklärt. Die Richter stellen nun aber sicher, dass die Maximalsumme von 190 Milliarden Euro nicht hinter dem Rücken des Bundestags ausgeweitet werden kann.

Eigentlich geht es dabei um eine Bekräftigung dessen, was eh im ESM-Vertrag steht. Nun muss die Bundesregierung aber noch einmal in völkerrechtlich verbindlicher Form erklären, dass das auch wirklich für alle denkbaren Fälle und böswilligen Vertragsauslegungen gilt.

Bild: taz
Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.

Das ist selbstverständlich Symbolpolitik, einerseits. Es erlaubt den Karlsruher Klägern, zumindest einen kleinen Sieg für sich zu verbuchen. Zugleich wird den Horrorszenarien, die vor Risiken in Höhe von weit über 700 Milliarden Euro warnten, der Boden entzogen. Andererseits kann es bei diesen schwindelerregenden Milliardensummen auch nicht schaden, alle Schlupflöcher mehrfach zu schließen.

Bedenklich ist allerdings, dass jetzt immer noch nicht Ruhe ist. Denn nun will Karlsruhe die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) thematisieren. Die hatte letzte Woche beschlossen, Anleihen finanzschwacher Staaten in unbeschränkter Höhe (aber gegen Auflagen) aufzukaufen. Der Streit ist also längst nicht beigelegt.

Letztlich geht es um den Konflikt, ob die Zentralbank auch bedrängten Nationalstaaten gegen überhöhte Zinsen helfen darf oder ob sie nur für die Stabilität des Euro zuständig ist. Fast alle Mitgliedsstaaten sind für ein weit verstandenes Mandat, nur die Bundesbank und jetzt auch das Bundesverfassungsgericht kämpfen für die puristische Variante – obwohl weit und breit keine Inflationsgefahr in Sicht ist. Die deutsche Position wird sich am Ende deshalb nicht durchsetzen können. Sie sorgt nur für neue Unsicherheit und verschlimmert damit die Krise. Immerhin will Karlsruhe im Herbst eine Klärung herbeiführen, um neue Turbulenzen zu begrenzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • L
    lowandorder

    @ les commentatores

     

    Zirkus Karlsruhe und seine roten clowns?

    Gewiß, es gab mal " die vier Arschlöcher in Karlsruhe"(Onkel Herbert)

    und den ' Zirkus Mahrenholz', aber das war nur der Vize.

     

    Nein, so kommt man diesem Verfassungsorgan wie auch sonst dem Recht nicht bei.

    Christian Rath wird diesem Grenzgänger zwischen Politik und Recht schon eher gerecht,

    wenn er anmahnt: so sabotiert ihr die Bemühungen, Ruhe auf den Märkten einkehren zu lassen und den Spekulanten Grenzen zu setzen.

     

    Gefragt oder nicht - die Primadonna in Karlsruhe kämpft ganz offen um die Wahrung ihres Einflusses. Und schreckt dabei nicht davipr zurück,

    national-neoliberale Karten auszuspielen.

     

    Es waren die demokratisch unverdächtigen Vertreter des schwedisch Riksdagen,

    die nach einer Erkundung des Gerichts anmerkten:" Hej, da können vier Richter aushebeln, was der Riksdag beschlossen hat? Neje tak!"

    Eben diese Entscheidungs- und Rechtsetzungsgewalt Karlsruhes wird mehr und mehr zurückgedrängt.

    Und wem paßt sowas schon? Sind halt Menschen.

    Zumal sie schon vom EUGH unlängst höflich formuliert schwer ein auf den Sack gekriegt haben.

    EZB und Garantieversprechen - man darf gespannt sein.

    Karlsruhe wäre gut beraten, sich nicht selbst weiter zu demontieren.

    Richter und Banker haben von Berufs wegen ein gutes Gedächtnis.

  • A
    Andreas

    Warum entscheiden Juristen ueber Finanzen? Da stimmt grundsaetzlich etwas nicht...hier wird dem unmündigen Volk Seriösität vorgegaukelt. Ein Referendum ueber das, was mit unseren Steuergeldern geschieht, wäre hier angemessen demokratisch.

  • G
    Gorki

    Der Reichstag als Hochburg des Monokapitalismus wo die Bourgeoisie ein und ausgeht ist eine "Blasphemie" an der Demokratie. Der Monokapitalismus muss bestehen bleiben-, dafür hat Schröder mit seiner Agenda das Proletariat beschissen-,angeblich um den Sozialstaat zu retten. Gerettet hat er aber seine Freunde, die Marodeure. Und da der ganze Beschiss sich bereits so tief verankert hat, kann das BVG nicht anders entscheiden wie es entschied. Und der Sozialstaat wird solange runtergefahren bis man der Bourgeoisie das Kreuz bricht. Und damit das nicht passiert will man jetzt Bundeswehreinsätze gegen die eigene aufmuckende Bevölkerung.Stets diese Marodeure wieder wählen, dann wird alles gut!

  • DH
    doris hubert

    „Verboten“ gut, danke! Euro und Europa werden ja ansonsten in der taz wie Synonyme behandelt, so dass jeder Einwand gegen ersteren sich der Deutschtümelei verdächtig zu machen scheint. Dabei gibt es gut begründete, nicht nur praktische, wie die mir - Träger eines deutschen Ausweises - in Griechenland gerade begegnete Reserviertheit. In der Thematik äußern sich viele Widersprüche, z.B.: deutsche Unternehmen, wie der Baukonzern Hochtief, investieren in Griechenland, um der Rendite, nicht einer Autobahn für die Griechen willen. Die wollen weder Drachme noch die Insolvenz des Euro-landes (eigentlich: europäischen (!) Landes). Wer wird gerettet? Übersteigt für die Griechen der Autobahn-Nutzen dabei die Kosten derselben? Trotz vieler Milliarden, geht es den Griechen (welchen Griechen?), besser?

    Die Verbissenheit der taz-Redaktion in Sachen Euro-Verteidigung, als wäre der Euro alternativlos und Europa gar nichts ohne ihn, die Sympathie für diese Barosos und Junckers, läßt mich ständig an Kai Diekmann denken, von dem ich nichts anderes ertwartete.

    Und noch was zum Artikel: Die Karlsruher Richter wollen gar nichts thematisieren, wie falsch behauptet wird, sie müssen, weil es ihnen aufgetragen wurde!

  • L
    Leid(t)kultur

    Zirkus Karlsruhe voller roter Clowns

    Haben die vom Zirkus Karlsruhe nicht wiederholt geurteilt, dass zum Beispiel das deutsche Wahlrecht nicht verfassungskonform sei? Wäre damit der Bundestag nicht auch grundgesetzwidrig? Tummeln sich damit nicht etwa unzulässige Parteipolitiker im Bundestag, welche wiederum eine Regierung so gar nicht hätten wählen dürfen? Hat sich nach dem Urteil der Clowns aus Karlsruhe etwas verändert? Und das ist hier ja auch nur ein Urteilsspruch, von einigen mehr in (jüngerer) Vergangenheit.

    Was auch immer also die rot gekleideten Richter aus Karlsruhe heute zum EURO, konkret zum ESM von sich geben haben. Es hat die judikative Gewalt von Clowns.

    Darum Deutsche, wie auch alle anderen Mitmenschen auf dieser Erde, spart Euch die Mühe über Clowns aus Karlsruhe und deren Urteile zu debattieren. Es herrschen auf diesem Globus eh nur die Anarchisten mit den besonders dicken Portemonnaies. Und alle anderen Wichtigtuer, ob Politiker in Regierungen, Richter in Gerichte oder Behördenleiter in Aufsichtsinstitutionen sind längst in deren korrumpierten Gewalt. Die Superreichen, ich nenne sie hier Anarchisten, spekulieren und diktieren mit Ihren Geld jedenfalls weiter das Geschehen auf den Finanzmärkten. Sie pfeifen auf jegliche (moralische) Rechte und Pflichten, erst recht auf irgendwelche Bedingungen. Die Superreichen sind weiterhin die wahren Regierenden und laut am Lachen über alle anderen Menschen deren Portemonnaies sie weiter beständig leeren, sie sind sogar so geschickt ihnen Schulden aufzubürden aus dem Nichts. Die Clowns, auch jene aus Karlsruhe werden jedenfalls per sé nicht ernst genommen. Nein, die sich mit dem Chaos und Alltag beschäftigten Clowns sind nicht ernst zu nehmen, über sie wird üblicherweise nur gelacht!