piwik no script img

Kommentar EGM-Urteil zu YukosGanz vorsichtig mit Moskau

Klaus-Helge Donath
Kommentar von Klaus-Helge Donath

Den politischen Hintergrund hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im zweiten Yukos-Verfahren nicht anerkannt. Die EU will es sich nicht mit Russland verscherzen.

E s ist ein sehr vorsichtiges Urteil, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Rechtsstreit zwischen den Aktionären des Ölkonzerns Yukos und Russland gefällt hat. Die Aktionäre des vom Kreml verstaatlichten Konzerns hatten auf Missachtung des Eigentumsschutzes geklagt, auf politische Motive verwiesen und Schadenersatzforderungen von 70 Milliarden Euro gefordert.

Das Gericht erkannte die Eigentumsverletzung an und stellte prozessuale Fehler fest, die es nicht erlaubten, das Verfahren als fair zu bezeichnen. An die politischen Hintergründe wagte sich der EGMR jedoch nicht heran. Auch in Sachen Schadenersatz wollte der EGMR nicht vorpreschen und legte den Parteien nahe, nach einem Vergleich zu suchen.

Russland wurde nicht freigesprochen, und die Klage der Yukos-Aktionäre wurde in Teilen bestätigt: Beide können also ihr Gesicht wahren und sich - je nach Standpunktlogik - sogar als Sieger fühlen. Dennoch zeigen die Reaktionen in Moskau, dass die Yukos-Vertreter von dem Urteil enttäuscht sind.

KLAUS-HELGE DONATH ist Russland-Korrespondent der taz.

Den politischen Hintergrund hat das EGMR nun im bereits zweiten Yukos-Verfahren nicht anerkannt. Kreml und Justizministerium frohlocken. Den Nachweis der politischen Justiz fürchteten die Darsteller der demokratischen Mimikry in Moskau wie der Teufel das Weihwasser. Von prozessualen Fehlern jedoch lassen sich Paten und Potentaten eines Unrechtsstaates nicht erschrecken. Sie können so weitermachen wie bisher.

Vom EGMR einen politischen Schuldspruch zu verlangen ist unterdessen auch ein schwieriges juristisches Unterfangen. Die EU - Recht hin oder her - will es sich mit Russland nicht verscherzen. Moskau hat schon oft über einen Rückzug aus dem Europarat nachgedacht. Ein Schuldspruch hätte diese Entscheidung forciert, mit fatalen Folgen: Zwei Drittel der Fälle des EMGR stammen aus Russland. Der einfache Bürger hätte dann gar keine Chance mehr, sich gegen den Unrechtsstaat zu wehren.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Klaus-Helge Donath
Auslandskorrespondent Russland
Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • B
    bla

    Ich glaube der Schreiber hat nicht "die EU" als Organisation gemeint sondern deren Mitgliedsstaaten die eben auch ausnahmslos Mitglieder des Europarats sind und es sich dort nicht mit den Russen verscherzen wollen...

  • A
    annap

    @ Wellawäag

    Eine "regionale Internationale Organisation"? Vielleicht erklären Sie erst mal, was das denn sein soll ...

  • L
    Lars

    Dass eine überregionale Tageszeitung, welche zumindest den Anspruch erhebt, seriös zu sein und ihren Artikeln ein Minimum an vernünftig recherchierten Fakten zu Grunde zu legen, Journalisten zur politisch-juristischen Berichterstattung beschäftigt, welche nicht einmal die grundlegendsten Fakten verinnerlicht zu haben scheinen, ist enttäuschend.

    Bei zukünftigen Personalentscheidungen sollte auf ein Mindestmaß an Fachwissen geachtet werden, ansonsten manövriert sich die Taz ins Abseits.

  • S
    saalbert

    "Schadenersatzforderungen von 70 Milliarden Euro gefordert" - Kein Wunder, dass der Autor überfordert sein könnte.

  • MR
    Markus Reichel

    Ja, leider ein ganz schwacher Artikel...

  • A
    Alex

    Traurig, wenn selbst Journalisten EU/EUGH (Europäischer Gerichtshof) und Europarat/EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) nicht auseinderhalten können.

  • PS
    Paul Schächterle

    Der EGMR gehört nicht zur EU. Von daher ist die Argumentation die EU wolle es sich mit Russland nicht verscherzen unlogisch.

  • E
    eori

    In Ihrem Artikel fehlt mir der Zusammenhang zwischen EU und Europarat. Der mag ja bestehen, nur erklären Sie ihn dann bitte. Inwiefern nimmt die EU EInfluß auf den Europarat und den EGMR als Organ des letzteren? Gibt es da Personenidentitäten (Botschaftspersonal etc), oder wie genau läuft das? Wer vertritt überhaupt die Staaten im Europarat, die Regierungen? Immerhin verneinen Sie ja mal eben so die Unabhängigkeit der EGMR-Richter. Die sind doch nicht einfach weisungsgebundene Vertreter der EU-Staaten?!

  • W
    Wellawäag

    Was die EU mit diesem Urteil zu tun haben soll, ist mir schlicht schleierhaft. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist ein Organ des Europarates und der wiederum ist eine eigenständige regionale Internationale Organisation in Europa, die nichts mit der Europäischen Union zu tun hat. Ich halte dem Autor zugute, dass er den Unterschied kennt, oder etwa doch nicht....? Dann wäre er leider in guter Gesellschaft....