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Kommentar DrohnenkriegSo viel Macht sollte niemand haben

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Barack Obama entscheidet am Schreibtisch über Leben und Tod anderer – und das ohne Gerichtsverhandlung. Kein Mensch sollte soviel Macht haben, auch ein US-Päsident nicht.

N ein, wie ein Friedensnobelpreisträger verhält sich US-Präsident Barack Obama wirklich nicht. Die jüngsten Drohnenangriffe der USA auf pakistanischem Territorium zeigen mehr Kontinuität zur Politik seines Vorgängers George W. Bush, als sich Obama-WählerInnen und Nobelpreiskomitee 2009 hätten träumen lassen.

Barack Obama ist dabei, die großen Militäreinsätze der Bush-Ära in Irak und Afghanistan zu beenden – sie würden vermutlich auch zu Ende gehen, hätte ein Republikaner weiterregiert. Der grundsätzliche Ansatz der US-Regierung im „Krieg gegen den Terror“ jedoch ist der gleiche geblieben: Erlaubt ist, was effektiv ist, auch wenn damit weit in rechtliche Grauzonen vorgestoßen wird. Nur: Obama macht das intelligenter als sein Vorgänger.

Völkerrechtler bestreiten nicht, dass in Kriegssituationen die gezielte Tötung von Feinden auch außerhalb einer unmittelbaren Kampfsituation erlaubt sein kann.

Um diese Regel aber auf Abu Jahia al-Libi, die mutmaßlich am Montag getötete Nummer zwei von al-Qaida, anzuwenden, muss man zunächst die von Bush aufgestellte Prämisse akzeptieren, die USA und al-Qaida befänden sich im Krieg.

Bild: taz
BERND PICKERT

ist Redakteur im Auslandsressort der taz und zuständig für die Amerika-Berichterstattung.

Al-Qaida, die zumindest als zentralisierte Organisation in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung und Einfluss verloren hat und eher zu einer Ansammlung verstreuter Zellen und einzelner Organisationen mutiert ist, wird es freuen, so aufgewertet zu werden.

Im völkerrechtlichen Sinne allerdings spricht wenig dafür, dass das Wort „Krieg“ die derzeitige Lage richtig beschreibt. Sicher, Drohnenangriffe, denen womöglich eine genaue Zielbestimmung und -markierung vorausgegangen ist, haben eine größere Chance, ihr tatsächliches Ziel zu treffen und Zivilisten zu schonen, als Flächenbombardements auf Nord-Wasiristan mit B-52-Bombern.

Aber: Die technische Möglichkeit, ohne Risiko für das eigene Militärpersonal irgendwo auf der Welt nach Belieben zuschlagen zu können, senkt offenbar auch die Hürden, von diesem Mittel umfassend Gebrauch zu machen.

Selbst wenn man Präsident Obama blind vertrauen würde: Die Macht, ohne Gerichtsverfahren vom Bürostuhl aus über Leben und Tod anderer zu entscheiden, sollte niemand haben. Wenn al-Libi tatsächlich tot sein sollte und Obama sich in den USA wieder einmal als erfolgreicher Terrorjäger feiern lässt, hat das mehr als einen schalen Beigeschmack.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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6 Kommentare

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  • V
    viccer

    @ vic

     

    Klasse, dass sich Obama posthum doch noch seinen Friedensnobelpreis verdient, indem er die Drahtzieher von Massenmord und Kriegen mit Viren und Drohnen bekämpft. Klar könnte man die Verbrecher Osama und Assad (der kommt auch noch dran) vor einen internationalen Gerichtshof zerren. Aber lohnt das den Aufwand? Wir müssten sie lebenslänglich ernähren, kleiden und für ein sicheres Dach überm Kopf sorgen. Zu teuer und vor allem: das kann man weder Demokraten noch Republikanern zumuten.

    Daher: Kompliment Obama zur effektiven und viel preiswerteren Strategie als die des ewigen opferns junger Männer ...

    Das wirklich Gute setzt sich immer durch !

  • U
    Unschuldsvermutung

    Die systematische und oftmals willkürlich [!] erscheinende Verbreitung von Angst und Schrecken durch ausgeübte oder angedrohte Gewalt, um Menschen gefügig zu machen ist laut wikipedia=Terror.

    Wenn man das ganze "Demokratisierung" nennt, wird daraus ein Wahlkampfprogramm, bzw. eine Staatsraison. Schon komisch...

  • V
    vic

    Ganz meine Meinung.

  • R
    reblek

    "So viel Macht sollte niemand haben" - Stimmt, aber in der Ankündigung steht: "So viel Macht sollte niemand haben, auch ein US-Präsident nicht." Erst recht.

  • R
    Robert

    "Sicher, Drohnenangriffe, denen womöglich eine genaue Zielbestimmung und -markierung vorausgegangen ist, haben eine größere Chance, ihr tatsächliches Ziel zu treffen und Zivilisten zu schonen, als Flächenbombardements auf Nord-Wasiristan mit B-52-Bombern."

    Die Gehirnwäsche des Westens, die täglich auf uns herniederregnet, hat offensichtlich zum gewünschten Ergebnis geführt.

     

    Schon die zusammengelogenen Irakkriegsgründe vergessen? Wem gegenüber mit welchen Beweisen muß der US-Präsident denn diese Drohnenmordangriffe rechtfertigen? Wer sind diese ermordeten Al-Kaida-Toten? Schon das "Scheibenschießen" der US-Hubschraubermörder vergessen, daß durch wikileaks und den Soldaten Mannings publik wurde? Und wer gehört zu den leider, leider unvermeidlichen Kollateralschäden, die es zu hunderten, wenn nicht tausenden gibt? Könnte es nicht vielleicht auch sein, daß in Afghanistan und Irak längst schon gewaltige Testmanöver für neue Waffensysteme und zukünftige Kriege stattfinden?

     

    Hagen Rether:"Ich wäre so gerne Drohnenpilot. Da könnte ich von zuhause aus arbeiten." Damit ist der Zynismus der USA und des Westens zusammengefaßt.

     

    Die Rache wird kommen, das ist sicher.

  • T
    tommy

    Ich finde, Herr Pickert sieht das zu negativ. Es ist doch ein schöner Meilenstein in der Emanzipation von "people of color", dass nun mit Obama ein "Farbiger" am Schreibtisch über Leben und Tod entscheiden darf - da wäre es doch irgendwie unfair, Obama die Machtfülle seiner weißen Amtsvorgänger zu verwehren. Nebensächlichkeiten wie parlamentarische Kontrolle, Vökerrecht etc. sollten da nicht zählen und die Kollateralschäden durch die Drohnenangriffe sind immerhin für eine gute Sache gestorben.