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Kommentar Drohende Kernschmelze JapanWettlauf mit dem GAU

Reiner Metzger
Kommentar von Reiner Metzger

Das Beben und das Risiko der Kernschmelze zeigt, dass "Risikotechnologie" keine Worthülse ist. Was jetzt bleibt, ist die Fassungslosigkeit.

E s ist ein Irrsinn, aber wahr: Knapp 25 Jahre nach der Reaktorexplosion von Tschernobyl zittert die Welt um einen Meiler im fernen Japan. Er steht da ohne Strom, die Notstromaggregate laufen nicht an, die Batterien für die letzten Kühlpumpen gehen dem Ende entgegen. Die Internationale Atomenergiebehörde in Wien beruhigt schon mal, weil der Wind ja zum Glück auf den weiten Pazifischen Ozean hinausweht und nicht in Richtung Korea oder China.

Ob der Reaktorkern nun wirklich schmilzt oder rechtzeitig die Stromversorgung wieder läuft, war beim Schreiben dieser Zeilen unklar. So bleibt wieder einmal die Fassungslosigkeit angesichts der Katastrophe. Japan ist kein armes Land, es ist die drittgrößte Industrienation der Erde. Trotzdem gibt es keinen Schutz gegen solch ein Beben, gegen zehn Meter hohe Tsunamiwellen. Der Schaden lässt sich durch Vorsorge höchstens minimieren.

Das Gegenteil von Vorsorge sind Atomkraftwerke. Natürlich ist Japan in einer Zwangslage: Das Land hat weder Kohle noch sonst nennenswerte fossile Energien. 80 Prozent des Energiebedarfs werden importiert, der Rest ist praktisch Atomenergie. Soll man diesen heimischen Rest auch noch aufgeben? Die Japaner hatten sich dagegen entschieden. Nach einem kurzen Flirt mit erneuerbaren Energien tat sich die letzten Jahrzehnte kaum noch etwas auf diesem Sektor. Ihre riesigen Konjunkturprogramme betrafen den Straßenbau und das Ankurbeln des Konsums, nicht Photovoltaik oder Windkraft.

Bild: taz

REINER METZGER ist stellvertretender Chefredakteur der taz.

Das Beben mit seinem Tsunami führt vor Augen, dass "Risikotechnologie" keine leere Worthülse ist. Die risikoreiche Technik Atomkraft ist billig im Betrieb, denn die Prämie für das Risiko wird erst am dicken Ende fällig. Alle wissen das, aber es lässt sich ja so leicht verdrängen, dieses Wissen. Je mehr Atomkraftwerke wir betreiben, desto öfter wird die Risikoprämie fällig.

Ob nun der Nachschub an Batterien oder Stromaggregaten in Japan rechtzeitig kommt, werden wir bald wissen. Aber auch wenn der Wettlauf mit dem GAU, dem größten anzunehmenden Unfall, mal wieder gewonnen werden sollte: AKWs müssen abgeschaltet werden; in Japan, in Deutschland, überall. Denn sie sind zu teuer für die Menschheit. Auf kurze wie auf lange Sicht.

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Reiner Metzger
Leiter Wochenendtaz
Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.
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16 Kommentare

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  • V
    Visuddho

    Ich fände es einmal interessant, genauer zu erfahren, welche unmittelbaren und konkreten Konsequenzen für jeden einzelnen das Abschalten der KKW nach sich zöge. Vorallem tragen aber wohl die Konzerne und der Staat starke Verluste davon.

    Strom und Produkte würden teuerer werden, ganz klar... aber kann das bitte einmal konkreter diskutiert werden?! Der Großteil der Menschen hat kein klares Bild davon, wie mir scheint.

    Das kommt mir hier alles viel zu knapp, wenn überhaupt auch nur irgendwie in's Gespräch.

     

    Grundsätzlich bin ich für einen Ausstieg.

    Die Welt sollte eher zusammen wachsen und nicht durch starkes Konkurrenzdenken noch mehr Schaden nehmen. Immerhin hat dieses Erdbeben auch das Mitgefühl der Menschen aufgerüttelt.. doch der Prozess des Verdrängens ist auch schon wieder in vollem Gange - ich kann die Bilder jetzt schon nicht mehr sehen; das scheint leider völlig menschlich zu sein.

  • V
    veganFürKlimaschutz

    Hier werden die Spät- bzw. Direktfolgen anderer Energieherstellungsarten mal wieder völlig außer Blick gelassen. Natürlich ist die Atomenergie immer mit großen Risiken verbunden, aber verkleinert das etwa die verschlechterte Luft, welche durch Kohlekraftwerke etc. entsteht?

    Es gibt auch zahlreiche gesundheitsgeschädete Menschen aufgrund der Kohleenergie. (sogar viele in Deutschland)

     

    Ich bin absolut für erneuerbare Energien und werde, wenn alles klatt läuft, auch in diesem Bereich meine Arbeitsstelle antreten. Aber noch ist eben die komplette Versorgung damit nicht möglich.

    Allerdings stimme ich zu, dass hier noch mehr subventioniert werden MUSS!!!

  • D
    darkk

    @charly

    vielleicht täusche ich mich da, aber ich habe das gefühl, dass die komentare konservativer und / oder atomkraftbefürworter und / oder guttenbergverteidiger in immer debilere grenzbereiche vorstoßen. dafür ist ihr kommentar natürlich zu dürftig angelegt, aber was haben sie uns eigentlich mitgeteilt? ja es gibt verschiedene kraftwerkstypen, und welche rolle spielt das für die aktuelle katastrophe? da SIE anscheinend ahnung von technik haben, zumindest ihrer eigenen meinung nach, dürfte ihnen eine erläuterung ja nicht schwerfallen. mit technischen wissen hat bisher eher die gegenseite geglänzt. naja ist halt immer wieder das gleiche lied: wenn die pds stärker wird droht der kommunismus (jaja die konservativen können auch angst verbreiten, nicht wahr?) alle demonstranten sind wahnsinnige randalierer (da liegen die kons mit gaddafi fast auf einer linie, hehe)usw. usf. passt nicht ganz zum thema und ist auch nicht alles ihrem kommentar geschuldet, musste aber mal raus :-)

    greetz darkk

  • WK
    Wolfgang Kluge

    Mir ist unverstaendlich, wie es zu einer Kernschmelze kommen koennte. Soweit ich mich erinnere hat der VDI mal eine Broschuere herausgegeben nach der moderne ( nach 3-Mile_Island ) Kernreaktoren Elektrizitaet, Wasserdruck und Hydraulik Druck brauchen um die Cadmium Abschalt-Staebe daran zu hindern von mechanichen Mittelwn wie Gewichte und Federdruck den Reaktor sofort abzuschalten. Dann sollte es also be Ausfall von Strom oderWasser oder Hydraulik wohl nicht mehr zu einer drastischen Temperatur-Erhoehung bis zur Kenschmelse kommen koennen.

  • J
    Jacq

    Fassungslos stehen alle vor dem Scherbenhaufen, und eine ahnungslose Frau Gönner verteitigt so lange das Atomkapital, bis in Neckarwestheim ähnliches passiert. Die Quittung bekommt sie bei der BaWü-Wahl, garantiert!

  • F
    freidenker

    Ach Erde wir wollen doch eine Laufzeitverlängerung !!!

  • GF
    Günther Fabritz

    Ihren Kommentar hier eingeben

    ergänzend zu Ihrem Text Herr Metzger:

    Hier ließen sich nun längst bekannte Gefahren die von Kernkraftwerken ausgehen wieder und wieder aufzählen, ergänzen, gebetsmühlenartig immer und immer wieder wiederholen. Ich will dies nicht, ich mag nimmer,setze nämlich längst voraus, das diese grässlichen Folgen auch dem Dümmsten bekannt sein dürften. Vor allem auch den Betreibern aller Kernkraftwerke und schlimmer noch,jenen Entscheidern die Gesetze beschließen ohne Rücksicht auf Verluste.

    Die Flut-und Beben Katastrophe in Japan hat Tausende Menschenleben gefordert. Man wagt doch gar nicht daran zu denken was eintreten wird, wenn nun eine Kernschmelze im Nahgebiet Tokios eintritt. Dann geht es um Millionen Menschen, ein ganzes Volk, eine ganze Volkswirtschaft, die drittgrößte Wirtschaftskraft aller Industrieländer. Und glaubt denn wirklich niemand daran, dass damit die ganze Menschheit betroffen wäre, bin ich denn der Einzige?

    Wohl kaum. Wie war das doch gleich ? Globalisierung bedeutet ein engeres Zusammenrücken der Menschheit, etwa folgenlos für weiter entfernte Regionen ? Das glaube doch bitte Niemand. Es ist zum Himmel schreiende Hilflosigkeit die uns alle befallen müsste, ausnahmslos. Und Jene, die vermeintlichen Gewinner, die Betreiber kapieren offensichtlich nicht, dass sie nur Gewinne erzielen können wenn es Menschen-Leben gibt, Menschen die dazu beitragen das überhaupt erst Werte gechaffen werden. Mit der Kernkraft wird auf kurz oder lang die Menschheit vor die Hunde gehen, ausgerottet werden da bin ich mir sicher. Und dann ? Wer braucht dann noch Aktien ?

  • KD
    Karl der Käfer

    Bin mal "gespannt", wie die Verharmlosungsfloskeln der UNION weitergehen.

     

    Röttgen hat ja praktisch schon "Entwarnung" gegeben. Für Deutschland.

     

    Irgendwann werden Merkel und Gönner mit leicht "debilem" Grinsen folgen.

     

    ...

     

    Verantwortung übernehmen heißt den "Umstieg" auf "harmlose" regenerative Energienquellen ..und zwar so schnell wie möglich.

     

     

    Zudem bleibt nur ein Hoffen und Bangen und zu wünschen, das der SuperGau ausbleibt...., denn nach dem ERdbeben spielen sich Szenen in Japan ab, die an "Kriegszeiten" erinnern...

    Doch können die Brennstäbe von alleine abkühlen.

    Ich denke nicht.

     

    Selbst der Müll in der Asse ist noch "heiß"... und der liegt da schon eine Weile.

  • M
    Meißner

    Wohl war hoffentlich klappts noch - aber wahrscheinlich kommt wieder mal alles zu spät

  • AL
    Achim Lemler

    Sehr geehrte Damen und Herrn,

    ich konnte Ihrem Bericht nicht entnehmen, warum es zum Beispiel nicht möglich ist den Reaktor mit Leitungswasser zu kühlen. Es wurde mitgeteilt, dass das zur Feuerbekämpfung vorgesehene Wasser zur Kühlung verwendet wurde. So könnte man diesen Zugangsweg nutzen um das Leitungswasser dort hineinlaufen zu lassen, um es von dort aus weiterzuführen.

    Ist möglicherweise der Gegendruck im Reaktorraum so hoch, dass eine Wasserzuführung nicht möglich ist?

    Genauso ist es kaum zu glauben, dass es nicht möglich ist einen Notstromgenerator dort hin zu schaffen. Es gibt aber auch Pumpen,oder Generatoren, welche über Zapfwellenantriebe von Traktoren zu betreiben sind. Welcher Gestalt ist eigentlich das Problem? Mit freundlichen Grüßen, Achim Lemler,

  • SF
    Spenden für Japan
  • C
    Charly

    Ist ja klar das so einer wie Sie so was schreibt der von Technik keine Ahnung hat . Hauptsache der Storm kommt aus der Steckdose. Nur zur Info es gibt verschiedene Kraftwerkstypen. Leute wie sie keonnen nur eins anderen Angst machen.

  • ST
    seltene tazleserin

    Ausrufezeichen

  • Z
    Zafolo

    "Was genau passieren könne, sei aber ... noch nicht zu beurteilen."

     

    Dazu ist keine Hellseherei nötig. Plausibel ist folgendes: Die kurzlebigen Produkte der gestoppten Kettenreaktion geben unaufhaltsam große Mengen Nachzerfallswärme ab - 7 % der Nennleistung. Wegen der fehlenden Kühlung bleibt diese Wärme im Druckbehälter. Das Wasser beginnt zu verdampfen - aus einem Liter Wasser werden 1400 Liter Dampf. Dadurch steigt der Druck extrem stark. Wenn aus einem Liter Flüssigkeit zwei Liter Gas werden, verdoppelt sich der Druck, ganz simple Physik. 1400 Atmosphären Druck aber hält kein Druckbehälter aus. Deswegen muß zwingend Wasserdampf aus dem Behälter abgelassen werden, sonst birst dieser. Dies ist bereits geschehen und bedeutet in jedem Fall eine umfangreiche Freisetzung von Radioaktivität.

     

    Ablassen von Dampf bedeutet weniger Kühlmittel und folglich einen noch stärkeren Temperaturanstieg. Zusätzlich beginnen die Umhüllungen der trockengefallenen Brennstäbe mit dem Wasser zu reagieren, es entsteht Knallgas. Schließlich schmelzen die Brennstäbe und die Suppe läuft in den Boden des Druckgefäßes. Man kann getrost annehmen, dass dies in Japan bereits passiert.

     

    Am Boden des Gefäßes schichtet sich das flüssige Uran, denn es ist nicht nur flüssig sondern weit schwerer als andere geschmolzene Materialien. Bis zu diesem Punkt ist es in Harrisburg gekommen - Jahre nach dem Unfall (ca 1992) wurde dies in Zeitschriften der Atomwirtschaft dokumentiert, die z.B. an der Uni Oldenburg archiviert wurden.

     

    Die Schichtung des Urans bedeutet ein extremes zusätzliches Risiko: Ab einer kritischen Masse und Geometrie beginnt die Kettenreaktion wieder. Aber möglicherweise wird vorher der Druckbehälter mechanisch zerstört. Diesen zweiten Fall haben die Biblis-Risikostudien seinerzeit erörtert.

     

    Ein Super-GAU ist ohne Kühlung praktisch unausweichlich.

  • MF
    Michael Fritsch

    Atomkraftwerke müssen abgeschaltet werden, auch in Deutschland. Es ist ignorant, wenn die Meinung geschürt wird, in Deutschland kann so etwas nicht passieren. Unsere lebendige Erde zeigt uns immer wieder das Gegenteil.

    Leider müssen uns wieder schlimme "GAU´s" die Realität zeigen und uns in die Schranken weisen. Die Natur achtet nicht auf Schilder wie "hier steht ein AKW, bitte hier kein Erdbeben in den nächsten 1000000 Jahren veranstalten, liebe Natur"!.

    Die Zeche, oder die Risikoprämie verlagern wir auf die nächsten tausend Generationen, oder....????

  • F
    FAXENDICKE

    Ihr Wort in Gottes Ohr Herr Metzger, jedoch der Menschen Gott ist leider nur noch ein taubes Kalb, ein goldenes. Der Tanz um dasselbe macht auch die Menschen Blind und Taub für Wahrheit, Gerechtigkeit und Ehrlichkeit. Sie werden keine Ruhe geben, nicht bevor alles am Boden liegt, verseucht, verätzt, verstört, verhungert und verstrahlt solange sich die SUCHT (Krankheit!) nach mehr, mehr, mehr (Geld!) noch irgendwie befriedigen läßt.