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Kommentar DioxinskandalLöst das Ministerium auf!

Kommentar von Hanna Gersmann

Der Dioxinskandal ist nicht der richtige Anlass, um Aigners Rücktritt zu fordern. Die CSU-Ministerin könnte aber ein Zeichen setzen, um zu zeigen, wie machtlos sie gegenüber der Lebensmittelindustrie ist.

J a, es gibt gute Gründe für die Opposition, den Rücktritt von Ilse Aigner zu fordern. Die CSU-Agrarministerin, die eng mit der Agrarlobby verbunden ist, lässt viel zu viele Schweinereien zu. Sie stoppt die deutschen Mäster nicht, die Megaställe bauen, gammelige Hühnerreste an Afrika verscherbeln und mit ihrer Massentierhaltung den Planeten belasten. Nur: Der Dioxinskandal ist beileibe nicht der richtige Grund, ihren Rücktritt zu fordern.

Grüne und SPD giften herum, die neuerliche Panscherei mit Lebensmitteln gibt ihnen Futter. Es ist das Superwahljahr 2011. Aber was genau hätten sie schon besser gemacht? Zur Erinnerung: Die SPD hat im Wahljahr 2009 Udo Folgart ins Schattenkabinett gerufen, der nie einen Hehl daraus gemacht hat, dass er die industrielle Tierproduktion befürwortet. Von ihm wäre nicht mehr zu erwarten gewesen, hätte er Aigners Posten besetzt. Das allerdings ist ein SPD-Problem.

Bild: taz

Hanna Gersmann ist taz-Redakteurin im Ressort Wirtschaft und Umwelt.

Dann gab es da noch eine andere Affäre, den Nitrofen-Skandal um verseuchtes Ökofutter fürs Vieh im Jahr 2002: Die Grüne Renate Künast war da Ministerin und galt als unverdächtig, mit der Agrarlobby zu kuscheln.

Prompt erklärte sie, sie werde "aufräumen", und zwar mit "aller Härte". Doch bestraft wurden die beteiligten Firmen nie. Die Staatsanwälte haben den Skandal 2004 sanft beerdigt. Eine Bundesagrarministerin, egal welcher parteipolitischen Couleur, hat da nicht mitzureden.

Auch für die Kontrolle der Lebensmittel und des Futters ist Aigner nicht zuständig: die ist Sache der Länder. Aigner kann im Moment also gar nicht viel machen gegen die organisierte Verantwortungslosigkeit. Sie tut jetzt aber so, als ob sie das könnte. Das ist ihr eigentlicher Fehler. Besser wäre es, sich die Machtlosigkeit gegenüber der Lebensmittelindustrie einzugestehen, in die sich die Politik über Jahre manövriert hat. Aigner könnte ein Zeichen setzen - und ihr Ministerium auflösen. Die Agrarpolitik, wie sie die Politik derzeit versteht, gehört ins Wirtschaftsressort.

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taz-Autorin
War von 2002 bis 2013 in der taz, leitete dort zuletzt das Inlandsressort. Jetzt gehört sie zum Büro die-korrespondenten.de im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin. Sie schreibt vor allem über Umwelt-, Verbraucher- und Wirtschaftspolitik.
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3 Kommentare

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  • B
    Bitbändiger

    Es kotzt (Entschuldigung!) mich wirklich an, in den Medien immer wieder Sätze zu lesen und zu hören wie

     

    "Auch für die Kontrolle der Lebensmittel und des Futters ist Aigner nicht zuständig: die ist Sache der Länder. Aigner kann im Moment also gar nicht viel machen gegen die organisierte Verantwortungslosigkeit.",

     

    ohne dass der/die Schreiber(in) mal auf die Idee käme, die Sinnhaftigkeit (und die immensen Kosten!!!) unserer verfassungsmäßigen Kleinstaaterei ALS SOLCHE zu thematisieren. Der Titel "Löst das (Bundes-)Ministerium auf!" ist grottenfalsch - die überflüssigen Länderministerien gehören plattgemacht, und mit ihnen auch die kompletten Landesregierungen und Landesparlamente! Die deutschen Steuerzahler brauchen diese Parteifreunde-Versorgungs-Anstalten so dringend wie 16 entzündete Furunkel am Hintern!

     

    Im übrigen, Frau Gersmann, haben Sie den Finger in der Wunde - mit der Einschränkung, dass die Exekutive (Verbraucherministerium) für energische Maßnahmen eine Rechtsgrundlage brauchte und braucht. Und für die ist der Bundestag gegen die ihn unterwandernde Lobby zuständig.

  • V
    vantast

    Recht so, dieses Ministerium dient nur der Agrarlobby und der Ernährungsindustrie, von Verbraucherschutz keine Spur. Es ist zu viel Geld im System, das die Richtung bestimmt.

    Aber auch die Kulturministerien sollten ersatzlos abgeschafft werden, sie haben regelmäßig und nachweislich auf das Deprimierendste versagt.

  • AA
    Alfons Alias

    Genau, das Oppositionsgetöse ist nur Wahlkampf, der Fehler liegt im System der industriellen Lebensmittelproduktion mit dem bei kriminellen

    Machenschaften viel Geld, fast ungestraft, gemacht werden kann. Wenn die Strukturen nicht aufgebrochen werden wird sich unter keiner anderen Regierung was ändern.