Kommentar Digitale Persönlichkeit: Intimsphäre auf Festplatte
Das Grundrecht auf Vertraulichkeit muss auch den Schutz der Festplatte umfassen. Das illegale Herunterladen eines Musikstücks rechtfertigt nicht die Durchsuchung von intimen Daten.
J ahr für Jahr nehmen deutsche Ermittler Festplatten in rauen Mengen mit. Grenzern in den USA und in Kanada steht es inzwischen frei, Laptops Verdächtiger ohne jeden Anlass zu beschlagnahmen. Dies waren Erkenntnisse, die man beim Hackerkongress des Chaos Computer Clubs an diesem Wochenende in Berlin gewinnen konnte. Für die anwesenden IT-Experten entbehren diese Eingriffe in die Intimsphäre auf dem Rechner jeglicher Verhältnismäßigkeit. Deshalb müsse diese Verletzung der digitalen Persönlichkeit sofort gestoppt werden.
CCC-Sprecherin Constanze Kurz tat sich in dieser Forderung mit jemandem zusammen, der es wissen muss: Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin. Ihm zufolge schließt das vom Bundesverfassungsgericht im Frühjahr geschaffene neue Grundrecht auf die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme auch den Schutz der Festplatten Verdächtiger mit ein.
Kurz und Buermeyer haben völlig recht: Der von den Verfassungsrichtern zuerkannte absolut geschützte Kernbereich der privaten Lebensgestaltung muss auch im Hinblick auf Datenträger gewahrt bleiben, die zunehmend die ganze Lebensgeschichte enthalten. Es ist völlig unverhältnismäßig, eine Festplatte mit allen E-Mails, Bildern und anderen intimen Details einer Person zu beschlagnahmen, weil diese sich illegal ein paar Musikstücke heruntergeladen hat. Auch der Richtervorbehalt, der von Befürwortern der kürzlich vom Bundesrat abgesegneten Onlinedurchsuchung als Schutz für die Bürger genannt wird, reicht da nicht aus. Denn: Den Richtern bleibt häufig viel zu wenig Zeit, komplexe Sachlagen zu beurteilen.
Problematisch ist auch, dass beschlagnahmte Datenträger von Polizei und Staatsanwaltschaft an externe Dienstleister herausgegeben werden, die die Auswertung vornehmen sollen. Deren Datenschutzmaßnahmen werden nämlich kaum kontrolliert. So landen dann pikante Informationen auf Firmenservern. Staat und Öffentlichkeit werden künftig wesentlich sorgsamer mit digitalen Identitäten umgehen müssen.
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