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Kommentar Dienstwagen-PosseDurchwurschteln klappt nicht

Matthias Lohre
Kommentar von Matthias Lohre

Eine fast verwehte Sommerloch-Debatte kehrt zurück - weil Gesundheitsministerin Schmidt versucht hat, Details über Wochen geheim zu halten.

Nein, die jüngste Volte in der Sommerposse um Ulla Schmidt ist kein Rücktrittsgrund. Auf eine parlamentarische Anfrage musste die Gesundheitsministerin nun antworten, schon in den Jahren 2004 bis 2008 habe sie einen Dienstwagen in ihren Spanien-Urlaub beordert. Anders als in diesem Jahr versteuerte sie die Hin- und Rückreise des leeren Wagens aber nicht privat. Eigentlich eine Petitesse. Hätte die gewiefte Ministerin nicht durch Zögern und Aussitzen versucht, diesen Umstand über Wochen geheim zu halten. Schmidt ist durch ihr Lavieren mitverantwortlich, dass eine fast verwehte Sommerloch-Debatte zurückkehrt.

Ulla Schmidt hatte seit Wiederauftauchen ihres Dienstwagens stets eine Linie verkündet: Ich habe in diesem Urlaub nichts falsch gemacht und die Richtlinien der Bundesverwaltung eingehalten. Auch der Bundesrechnungshof bestätigte ihr, die getrennte Abrechnung von dienstlichen und privaten Fahrten in ihrem Spanien-Urlaub sei in Ordnung. Nur: Wenn Schmidt zu Recht darauf pochte, als gestresste Bundesministerin auch in Alicante ein Anrecht auf ihre Limousine zu besitzen, warum druckste sie dann herum, als es um ihr Verhalten in den Jahren 2004 bis 2008 ging?

Weil die Ministerin glaubte, sie könne sich mit einer Mischung aus Trotz und Durchwurschteln aus der Affäre ziehen. Schmidt hoffte, dass die scheinheilige öffentliche Ereiferung ermattete, bevor die Öffentlichkeit sich ihren früheren Dienstwagen-Abrechnungen zuwendet. Da hat sich die Taktikerin grob verschätzt.

Das zögerliche Zugeben ihr mühsam abgerungener Fakten erzeugt den öffentlichen Eindruck, sie habe doch etwas zu verbergen. So trägt Schmidt dazu bei, dass diese "Affäre" ein Problem für den SPD-Wahlkampf bleibt.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wurde von der Kritik gefeiert. Anfang 2025 veröffentlichte er seinen zweiten Roman "Teufels Bruder" über Heinrich und Thomas Mann in Italien.

6 Kommentare

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  • A
    Amos

    Das Problem unserer Politiker ist, dass sie keinerlei Unrechtsbewusstsein an den Tag legen.Man hat den Eindruck, dass das Volk nur noch ein Affengemeinde darstellt um Steuern zu zahlen und alle vier Jahre mal für die Wahlurnen gebraucht wird. Das ganze Politikum ist nur noch Spektakel zum eigenen Wohl,zum Machterhalt und zum Ausschau halten für Nebeneinkünfte und sogenannten Beraterpöstchen. Geld für lau! Unten wird mehrend gekürzt und oben mehrend abgesahnt.

  • N
    Nordlich

    Die TAZ eignet sich mittlerweile nicht mal mehr als Alibi-Lektüre, um nicht die burgeoisen Mainstream-Abschreibzeitungen lessen zu müssen. Gute Nacht, TAZ....von mir gibt es keinen Cent mehr.

  • I
    inti

    @matthias lohre

     

    bitte anständig recherschieren und nicht blos von kollegen abschreiben

     

    http://www.weissgarnix.de/2009/08/18/medien-eingestandnisse/

     

    lesen und dort erfahren, dass die dinge seit 6. august bekannt sind, sprich gute arbeit herr lohre

  • A
    Andreas

    Die SPD lebt inzwischen ganz gut und ausgibieg mit doppelten Standards: So findet Peer Steinbrück ein Jahresgehalt für gescheiterte Bankmanager vollkommen in Ordnung, während ein Facharbeiter Mitte 40 nach einem Jahr Arbeitslosigkeit von 351 EURO leben soll - vorausgesetzt er verkloppt seine Vermögenswerte.

    Dass solche Parteifreunde mit einem Riesenmercedes nach Spanien fahren und das mit einem Fahrtenbuch begründen - es ist nur folgerichtig. In Wirklichkeit denken viele Minister, dass ihnen eine Vorzugsbehandlung grundsätzlich zusteht.

    Und das ist eben nicht der Fall: Alles muss von Steuern bezahlt werden und die zahlt der Bürger mit immer weniger Freude, wenn er sowas liest.

    Ein Bundesminister hat genug Geld, um eine andere Lösung zu finden. Warum diese Ministerin mit ihrem Chauffeur und dessen Sohn urlaubt, ist mir sowieso ein Rätsel.

    Aber am Schlimmsten finde ich die doppelten Standards der SPD: Hier Champagner dort verdorbenes Leitungswasser für die Masse.

  • B
    Benjamin

    Durchwurschteln klappt nicht - genau! Und Herumwurschteln an der Wahrheit auch nicht, das macht nämlich die Matthias Lohre, wenn er behauptet, Ulla Schmidt hätte die Nutzung der Dienstfahrzeuge seit 2004 nicht gleich zugegeben, als das Thema zum ersten Mal das Sommerloch füllte.

    Das wurde bereits damals öffentlich gemacht - auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Koppelin. Dass nun mit Otto Fricke ein anderer FDP-Abgeordneter das gleiche Schwein noch mal durchs Dorf treibt und dabei fast alle Medien am Nasenring hinter sich herzieht, ist traurig für die Medienlandschaft und beschämend für die taz!

     

    Mehr Infos:

    http://www.weissgarnix.de/2009/08/18/medien-eingestandnisse/

  • ME
    M Eisner

    Sehr geehrter Herr Lohre,

     

    Läuft gerade die Ferienaufarbeitung bei der taz? Ich muss den Eindruck gewinnen. Sicher, "musste ... nun antworten" kann man formulieren, aber alternativ auch sagen "hat ... bereits vor knapp 2 Wochen beantwortet" (am 6. August). Letzteres wäre vielleicht näher an den Fakten (

    siehe Punkt 6 in http://www.juergen-koppelin.de/files/7541/Ulla_Schmidt2_KlAnfrage_Antwort_PST.pdf ).

     

    Ja ich weiß, es ist Wahlkampf und Diekmann mag die taz und so lästige Details ... Und nein, ich wähle die SPD auch nicht.