Kommentar "Die steile These": Schafft Bangladesch ab!
Bangladesch scheint die Heimat aller schlechten Nachrichten zu sein, vor allem Naturkatastrophen geben sich dort die Klinke in die Hand. Ist dieses Land überhaupt noch zu retten?
Arno Frank ist Redakteur bei tazzwei, dem Gesellschaftsteil der taz.
Diesmal also war es der Zyklon "Sidr", der über das ohnehin schon leidgeprüfte Bangladesch hinweggezogen ist und, je nach Schätzung, zwischen 3.000 und 10.000 Opfer gefordert haben soll. So entsetzlich diese aktuellen Nachrichten in menschlicher Hinsicht sein mögen, so sehr verstellen sie in ihrer Einzigartigkeit den historischen Blick auf eine endlose Kette an Desastern, von denen dieses Land seit seiner Gründung mit bestürzender Regelmäßigkeit heimgesucht wird. Nicht von politischen Unruhen, korrupter Regierung, verheerenden Dürren oder Epidemien im "Armenhaus Asiens" soll hier die Rede sein - sondern nur von jenen Katastrophen, die schlicht und einfach aus seiner geografischen Lage resultieren.
1947 als Teil von Britisch-Indien zusammen mit Pakistan unabhängig geworden, erlangte das überwiegend muslimisch geprägte Bengalen erst 1971 echte Autonomie - ein hohes Gut, erkauft in mehreren Kriegen und zu einem hohen Preis. Allein in den letzten 18 Jahren stieg die Einwohnerzahl um 25 Millionen auf nunmehr 147 Millionen, was Bangladesch zu einem der bevölkerungsreichsten Landstriche der Erde macht. Das Problem ist aber nicht die Bevölkerungsdichte von mehr als 1.000 Menschen je Quadratkilometer, sondern wo genau diese Quadratkilometer sich erstrecken - nämlich hauptsächlich im Delta des Ganges, der zuvor, neben dem Brahmaputra, noch einige andere Ströme in sich aufgenommen hat, die allesamt mit dem Himalaja das mächtigste Gebirge der Welt entwässern.
Es liegt also auf der Hand, dass große Teile dieses Landes samt seiner ohnehin spärlichen Infrastruktur mit dem jährlichen Monsun einfach in den Golf von Bengalen geschwemmt werden, Jahr für Jahr aufs Neue. Ein Umstand, an dem selbst holländische Dammbauspezialisten verzweifeln. Und kommt das Wasser nicht aus dem Hinterland, dann kommt es vom Meer her - als Sturmflut oder, wie jetzt, als Tropensturm.
Denn Bangladesch liegt an vielen Stellen unterhalb des Meeresspiegels, exponierter noch als die heute schon zusehends absaufenden Südsee-Atolle. Der Bauherr wäre wahnsinnig, der auf einer so offensichtlich gefährdeten Scholle sein Haus errichten wollte. Bangladesch ist also in jeder Hinsicht unrettbar dem Untergang geweiht. Man sollte es räumen, den Menschen zuliebe. Wird nicht demnächst Grönland grün und bewohnbar?
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