Kommentar Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Sarrazin feiert sein Schmarotzertum in Griechenland, die Grünen begehen Selbstmord und die Unaussprechlichen werden Meister
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in dieser Woche?
Friedrich Küppersbusch: Papst ignoriert Probleme der Katholiken in Deutschland.
Was wird besser in dieser?
Irgendwann werden Katholiken in Deutschland Papst ignorieren.
Ein Journalist hat für Neon Interviews mit Stars gefälscht. Journalismus? Kunst? Betrug?
Kinderkram. Im Fernsehen gibt es das als gut organisiertes Erbrechen unter dem anmutigen Rubrum "scripted reality": In Nachmittagsshows tummeln sich die Sozialbetrüger und Hartz-Schmarotzer, ein Laienspielfestival von Radebrechern voller Radeberger. Dort wird eine erfundene, eskalatorische Welt vorgegaukelt, auf die dann die Politik reagiert. Westerwelles Hasskäppchen gegen sozial Bedürftige ist wie eine Generaldebatte über Promiskuität anhand von Schneewittchen und den - wow - sieben (!) Zwergen. Dass im Abspann der "scripted reality"-Shows der Hinweis "frei erfunden" stehen muss - meist ungefähr in Nanometerschriftgröße - rettet nix. Das Feuilleton erregt sich über fantasierte Star-Befindlichkeiten. Während es jahrelang den gesellschaftlich giftigen Schwindel an und über das Prekariat durchwinkt.
Thilo Sarrazin empfiehlt Griechenland, einfach pleitezugehen. Ist diesmal was dran an dem, was er sagt?
Die Idee, dass es nach dem Konkurs und völligen Zusammenbruch noch lange Jahre munter und laut weitergehen kann, bezieht Herr Sarrazin vermutlich direkt aus der Anschauung seiner früheren Ideale. Als Experte für Offenbarungseide lebt er seit Abschluss seines Studiums 1971 ununterbrochen von Staatsknete. Parteistiftung, Finanzministerium, Bundesbehörden - nächstes Jahr die großen Feierlichkeiten "40 Jahre Sozialschmarotzer am Stück" zu seinen Ehren. Gerne in Griechenland.
Georg Klein hat den Preis der Leipziger Buchmesse gewonnen. Helene Hegemann nicht. Könnten Sie das kurz beklagen?
Vielleicht meinte ein Teil der Jury den Autor, ein anderer den Bundeswehr-Oberst Georg Klein. Müssen sich beide Georg Kleins den Preis jetzt teilen? Und bekäme ein Taliban-Luftangriff auf die Leipziger Buchmesse den Literaturpreis von Kabul ? Soweit anerkannte Literaturpreise eine heimtückische Waffe sind, Widerspenstiges in den Kulturbetrieb einzusortieren, läuft alles gut für Hegefrau.
Im Kundus-Untersuchungsausschuss hat Exgeneralinspekteur Schneiderhan nun Verteidigungsminister zu Guttenberg belastet. Der habe einen Sündenbock in Sachen Tanker-Angriff gesucht. Hat er?
Ich höre in dieser ganzen Debatte nicht den zentralen Satz " … damit das nie wieder passiert". Wenn alle Uniformen allen Anzügen alles rechtzeitig gesagt hätten: Ist es dann okay, 142 Menschen ermorden zu lassen ? Die Bundeswehr hat ein völkerrechtswidriges Kriegsverbrechen begangen, das ist das Thema. Statt sehr klar gegenüber den Opfern, den Angehörigen, gegenüber Afghanistan Verantwortung zu übernehmen und auch Entschädigung und Widergutmachung zu leisten, feilscht man um Schuldzuweisungen. Spätestens das zeigt: Die verantwortlichen Zauberlehrlinge sind den Mächten des Krieges nicht gewachsen.
Zudem hat zu Guttenberg angekündigt, die Wehrpflicht schneller als geplant auf sechs Monate zu verkürzen. Ein Ablenkungsmanöver?
Oh, den Anforderungen des Friedens also auch nicht. Guttenberg räumt hier im Vorbeigehen eine zentrale Errungenschaft deutscher Läuterung ab, den bewährten und auch tagespolitisch unverzichtbaren Zivildienst. Die Bundeswehr kann mit Halbjahrestouristen nichts anfangen, sagt sie schon jetzt - und erst recht fallen viele ZdL-Aufgaben flach: in der Behindertenpflege, Altenbetreuung, überall, wo man Menschen schon jetzt kaum ausgebildete, häufig wechselnde junge Männer zumutet. Die Politik hat hier die große Chance, den Zivildienst obligat und den Kriegsdienst zur begründeten Ausnahme zu machen. Guttenberg verjuxt einen Grundrechtspfeiler für Glasperlen.
Derzeit gibt es in Nordrhein-Westfalen weder eine Mehrheit für Rot-Grün noch für Schwarz-Gelb. Kommt Schwarz-Grün?
Schwarz-Grün hat in NRW eine lange Tradition, schon in den frühen 90ern verbündeten sich beide in vielen Rathäusern. Tenor: "Die SPD ist so was wie die CSU des Ruhrgebietes, und gegen die CSU ist jedes Mittel erlaubt." Folglich gaben die Landesgrünen dem Gedanken beim Parteitag bereits statt. Und zwei Tage drauf rastete die FDP aus und setzte ihr Thema "Kampf den Hütten, Steuervorteil den Palästen". So weit, so klar. Wenn Rüttgers das hinbekommt, hat Merkel eine Machtoption mehr in Berlin. Viele Unionswähler bevorzugen diese Option. Für die Grünen wäre es zwar Selbstmord, aber, hey, was ist schon Selbstmord?
Und was macht Borussia Dortmund?
Bayern lässt drei Punkte liegen, Dortmund nimmt Leverkusen dreie ab : Wenn die Unaussprechlichen Meister werden, dann dank dieses Spieltages. Schalke hat bei den beiden letzten Dortmunder Titeln hilfreich gespielt, nun diesmal wir für sie. Bescheuert. FRAGEN: DAS
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