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Kommentar Die GrünenDie Selbstverliebten

Jörg Sundermeier
Kommentar von Jörg Sundermeier

Mit den linken Programmhighlights sollen die Grünen lediglich als Wohlfühlpartei für die Mittelkasse etabliert werden.

W ährend sich die anderen Parteien Flügelkämpfe leisten, hört man in diesen Tagen kaum etwas von den Grünen. Sie melden sich geordnet zu Wort, sie streiten wenig, und wenn, dann "konstruktiv". Neben der Ökologie geben sie sich weiterhin linksliberalen Topoi hin, und wollen Kosmetik an den Härten der Krise betreiben. So ist es dem Entwurf zum Programm für die Bundestagswahl zu entnehmen.

Die grünen Parteimitglieder sind sich, auch wenn es außerordentlich viele Änderungsanträge zum Wahlprogramm gibt, im Grunde einig - und auch die Umfragewerte stimmen sie hoffnungsfroh. Um diese nicht zu gefährden, vermeiden sie Koalitionsaussagen, Regieren möchten sie aber schon wieder gern.

Es steht zu fragen, warum diese Partei denn überhaupt noch auf reformlinke Topoi setzt, zumal diese nur notwendig werden, da sie selbst von 1998 bis 2005 mit nahezu dem selben Personal in die andere Richtung gesteuert hat - und bis heute gern betont, wie wichtig und richtig das war?

Nun, der grüne Stammwähler fürchtet um sein Geld, fürchtet aber auch die ökologische Katastrophe und soziale Aufstände. Er ist, auch wenn selbst kinderlos, der Meinung, dass es die Kinder mal besser haben sollten. Und er meint dabei allein die eigenen Kinder - oder die der Freunde. Der grüne Stammwähler ist gern kritisch, solange er über andere redet. Sein Individualismus ist ihm höchstes Gut, denn er kann ihn sich leisten. Er hält sich dennoch für sozial, daher mag er das Parteiprogramm. Er weiß, dass man sich, wenn man Macht hat, nicht mehr unbedingt daran halten muss, was man vorher aufs geduldige Papier geschrieben hat. Die eigenen Leute beruhigt er durch Erfolg, der Rest ist ihm egal.

Das aber darf man ihm niemals sagen, denn sonst verweist er auf seine früheren Leistungen im Asta oder als Ordner auf einer Anti-AKW-Demo. Der grüne Stammwähler hat das Linkssein zu seiner Identität gemacht, aber nicht zu seiner Lebensweise.

Insofern dienen linke Programmhighlights bei den Grünen nicht dazu, in der Klientel der SPD oder gar der Linken zu fischen. Sie dienen nur dazu, die Grünen als Wohlfühlpartei für die neue Mittelklasse zu etablieren.

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Jörg Sundermeier
1970 in Gütersloh geboren, lebt in Berlin. Er betreibt mit Kristine Listau den Verbrecher Verlag (den er 1995 mit Werner Labisch gegründet hat) und ist Autor für diverse Zeitungen und Magazine. Er schrieb mehrere Bücher. Zuletzt „Die Sonnenallee" und „11 Berliner Friedhöfe, die man gesehen haben muss, bevor man stirbt".
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14 Kommentare

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  • KA
    kerstin a

    Vielleicht schaffen es die bundesweiten Bündnisgrünen auch, dass die RebellInnen sich abspalten?

    http://www.youtube.com/user/stimmvieh2009

  • V
    vic

    Seit Moorburg genehmigt wurde, ausgerechnet von der "grünen Umweltsenatorin" Hajduk, traue ich den Grünen nicht mehr. Anders formuliert, ich traue ihnen alles zu.

  • K
    Katev

    Der Politologe Franz Walter hat dasselbe schon im Spiegel ausgesprochen. Im Stil nüchtener formuliert und sich auf Erhebungen berufend. Ich hatte mir sehr gewünscht, diesen Artikel hier in der taz zu finden. Sundermeiers Beitrag wirkt wie eine bestätigende Reaktion darauf. Dadurch dass er es zugespitzer ausgedrückt hat, kommt von den Lesern, die sich angesprochen fühlen (müssen), natürlich ein umso heftigere Reaktion.

  • 3G
    372 (Profil gelöscht)

    Heftig!

  • HK
    Hans-Peter Krebs

    kommt diese polemik oder eher von links, wofür der guerilla-Stil spricht?

  • B
    Blümchen-Guerilla

    Was macht diese polemische Pauschal-Beurteilung tausender Personen eigentlich auf der Titelseite einer Tageszeitung?

  • ER
    Eduard Rose

    Den Kommentar von Jörg Sundermeier auf der Titelseite der taz halte ich für so etwas von daneben, dass ich mich frage, wo lebt dieser Kommentator. Ist er es wert an diese Stelle gesetzt zu werden? Deshalb erspare ich mir auf den Inhalt einzugehen.

    Eduard Rose, Celle

  • TD
    Tyler Durden

    Grossartig!!

     

    Manchmal kommt sogar in der taz noch ein Artikel dem man erstmal grundsätzlich zustimmen kann.....

    Es ist grauenhaft und aufs tiefste demprimierend was aus den sogeannten "Grünen" geworden ist. Dies sind die Leute die an der ungeheuren Politikmüdigkeit und dem nur allzu berechtigten Zynismus allerorten Schuld sind.

     

    Andererseits wachen gerade darum viele der intelligenteren Menschen auf, und beginnen keinerlei Hoffnung in allem Politischen mehr zu sehen, und halten sich ganz aus dem mehr als dreckigen Spiel raus und kümmern sich ums Private.

     

    MfG, Tyler Durden

  • E
    elmar

    Der arme Helmut Kohl. Wenn er doch gekifft haette! Vermutlich haetten ihnen die gruenen Stammwaehler von heute ihn damals sogar gewaehlt. Schnief!!

  • A
    aso

    Wer heute noch, angesichts solcher Knallchargen wie der Betroffenheitsbeauftragten Claudia Roth, und solcher Schönredner und Wegducker wie Cem Özdemir Grün wählt,

    dann nur, weil er (fälschlich) meint es sei das kleinere Übel, und schon lang nicht mehr eine Alternative...

  • GW
    Gerhard Wirtz

    Menschen wie Özdemir sind imho Lobbyisten der türkischen Parallelgesellschaft in Deutschland (Stichwort: Türkisch in jeder Schule).

     

    Warum sollte ich dann, als ein Bio-Deutscher (Özdemirs Bezeichnung für Autochthonen) Typen wie ihn überhaupt wählen?

     

    Sollten Parteien wie die Grünen eines Tages eine entscheidende Macht in diesem Land bekommen, dann haben wir in ganz Deutschland Verhältnisse wie in Neu-Köln, übrigens einer Gegend wo kein grüner Spitzenfunktionär wohnt und das trotz der brutallstmöglichen kulturellen Bereicherung.

  • P
    Printe

    Mit diesem Kommentar haben Sie mir aus der Seele gesprochen. Vielen vielen Dank!

  • P
    p_d

    Gut getroffen, sag selbst ich als Wähler der Grünen.

    Aber im Ausschlussverfahren sind die Grünen für mich halt immerwieder das kleinste Übel.

    Was soll ich den sonst wählen, an allen anderen Parteien stören mich gewisse Punkte in derer Programmatik einfach zu sehr.

     

    Achja, die Klischee-Stammwähler der anderen Parteien kommen auch nich besser weg (Stammtisch-Rentner, Anzug-Schnösel, Fabrikmalocher und Alt68-Sozialpädagogen

  • K
    Kluka

    "Er ist, auch wenn selbst kinderlos, der Meinung, dass es die Kinder mal besser haben sollten. Und er meint dabei allein die eigenen Kinder - oder die der Freunde."

    Dieser Satz ist einfach nur... - da fehlen mir die Worte

    Woran zur Hölle wollen Sie den eine solche Aussage festmachen?