Kommentar Die Grünen: Das grüne Dilemma
Die Grünen sind gar nicht darauf vorbereitet, von allen umworben zu werden.
V ier Jahre lang haben sich die Grünen versteckt. Seit ihr Berliner Wunschbündnis mit der SPD im Mai 2005 platzte, vermied die Partei plausible Antworten auf die Frage nach künftigen Machtoptionen. Auf Bundesebene erklärte sie die Debatte über ein Linksbündnis unter Verweis auf die ablehnende Haltung der SPD für überflüssig; ein Jamaika-Bündnis schloss sie aus. Auch die wenig plausible Ausweichstrategie, die vage Hoffnung auf eine Ampelkoalition, übernahmen die Grünen in einem Akt der Regression vom früheren Koalitionspartner.
Vier Wochen vor der Bundestagswahl wird die Partei nun im Saarland mit den ungemütlichen Alternativen konfrontiert, die sich womöglich auch im Bund bald wieder stellen werden. Dabei zeigt sich: Die Grünen, die derzeit von Wahlerfolg zu Wahlerfolg eilen, die aufgrund ihrer Mittelposition im deutschen Parteienspektrum von allen Seiten als Koalitionspartner umworben werden, deren umweltpolitische Kernkompetenz im Zentrum der politischen Agenda steht - sie sind darauf gar nicht vorbereitet.
Rot-Rot-Grün aber ist für sie keineswegs die natürliche Option. Dass sich Grüne und Linkspartei zuletzt so heftig beschimpften, war mitnichten nur Wahlkampfgeklingel. Es gibt in Teilen der Parteien eine tief sitzende Abneigung mit ernstem politischem Hintergrund. Die Grünen als Elitenpartei und die Linke als Partei potenzieller und realer Verlierer - das ist eine Kombination, die im Alltag viel Konfliktstoff birgt. Rot-Grün war möglich geworden durch die Akademisierung einer SPD, die den Grünen immer ähnlicher wurde. Das Milieu, das den alternativen Protestlern einst mit der Dachlatte begegnen wollte, wurde dadurch ins Lager der Nichtwähler abgedrängt - und findet sich heute teilweise unter den Anhängern der Linken wieder.
Ralph Bollmann ist Leiter der Parlamentsredaktion der taz.
Ein ähnlicher Prozess vollzieht sich derzeit auch bei den Konservativen. Auch die Merkel-CDU ist dabei, sich von der Gemütslage der Normalbevölkerung zu entkoppeln. Das macht sie mit den Grünen koalitionsfähig, verringert aber mangels Masse die Chancen auf Mehrheiten für ein Zweierbündnis.
Im Saarland werden die Grünen versuchen, die heikle Entscheidung bis zur Bundestagswahl aufzuschieben, im Bund bleiben sie womöglich durch eine große Koalition von der Entscheidung verschont. Fast scheint es, als ob sie darauf hofften.
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