piwik no script img

Kommentar Deutschland und die HererosOhne Dialog keine Aussöhnung

Gastkommentar von Jürgen Zimmerer

Die Bundesregierung verweigert den Dialog mit den Herero und Nama. Historisches Unrecht wird damit fortgesetzt. Die Regierung trägt Mitschuld.

Zur Schau gestellte Herero-Schädel Ende August 2018, die an die Nachfahren zurückgegeben wurden Foto: reuters

S eit drei Jahren verhandelt die Bundesregierung mit der namibischen Regierung über den Genozid an den Herero und Nama (1904–1908). Eine wirkliche Aussöhnung rückt jedoch in immer weitere Ferne. Während sich die Regierungen wohl auf eine Einigung zubewegen, vertieft sich die Kluft zwischen den Opfern und der Bundesregierung. Erstere fühlen sich nicht gehört, nicht ernst genommen. Es ist schwer, diesem Eindruck zu widersprechen.

Ende März etwa trafen sich Vertreterinnen der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und der Kunst aus Deutschland und Namibia in Windhoek und Swakopmund zu einer „Woche der Gerechtigkeit“. Der spannende Austausch ließ die heilende Kraft des Gespräches erahnen.

Wer nicht dabei war, war das offizielle Deutschland: Weder Bundesregierung noch die sonst für Deutschland Verhandelnden fanden es nötig, zuzuhören. Hätten sie das getan, hätten Sie vielleicht gemerkt, dass ihr Auftreten, das sie selbst als so moralisch empfinden, als Arroganz der Mächtigen, der Kolonialherren, interpretiert wird: niemals anzuhören, was der Genozid eigentlich für die Opfer bedeutet, was diese sich wünschen.

Die Haltung der Bundesregierung, nur auf Regierungsebene zu verhandeln, mag vordergründig vom Völkerrecht gedeckt sein, auch hiergegen gibt es berechtigte Einwände, sie trägt jedoch zu einer Verhärtung der Fronten bei. Die Verweigerung des Dialogs mit allen Herero und Nama führt fast zwangsläufig dazu, dort die Position derjenigen zu stärken, die kompromisslos auf einen juristischen Sieg setzen.

Was geschieht aber, wenn die enormen Erwartungen, das historische Unrecht zu heilen, durch das internationale Recht enttäuscht werden; immerhin ist dieses Recht selbst historisch das Recht von Kolonialmächten.Was passiert, wenn dann Forderungen nach Selbstjustiz, nach Landbesetzung, die schon vereinzelt zu hören sind, in die Praxis umgesetzt werden, wenn auch von wenigen? Die Bundesregierung trüge eine Mitschuld. Es ist höchste Zeit, umzusteuern!

Zum Kontext:

Jürgen Zimmerer schrieb zusammen mit Wolfgang Kaleck vom ECCHR, Johannes Odenthal von der Akademie der Künste und Thomas Hentschel einen Brief an die Bundesregierung, in der sie nach der Konferenz in Windhoek ihre Sorge über den Verlauf der Verhandlungen zum Ausdruck brachten und einen transparenten und partizipativen Prozess einforderten. Das Schreiben an Bundeskanzlerin Merkel, Außenminister Maas und Staatsministerin Müntefering blieb unbeantwortet. Mittlerweile haben Herero und Nama in den USA Berufung gegen die Ablehnung ihrer Klage eingereicht. Ihren Brief an die Bundesregierung haben die vier nun veröffentlicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • "Die Verbrechen der Kolonialmächte sind ausgenommen - also inclusive der des deutschen Kaiserreiches"

    alle verbrechen aller kolonialmächte sind sollen weder vergessen noch vergeben werden.



    soweit es möglich ist durch sie bedingtes bis in die gegenwart fortdauerndes unrecht zu korrigieren besteht auch eine pflicht dazu

    die weissen in südafrika und namibia profitieren noch heute von dem historischen unrecht,dass ihre vorfahren begangen haben .dabei darf



    es nicht bleiben

    auf arte wurde ein beitrag gezeigt in dem gezeigt wird dass das historische unrecht bis heute weiter wirkt:

    www.arte.tv/de/vid...er-herrenmenschen/

  • Wie weit sind wir für in der Vergangenheit begangenes Unrecht verantwortlich? Für einen bestimmten Zeitrahmen sind wir (und andere Völker) natürlich verpflichtet, begangenes Unrecht wieder wenigstens in materiellem Rahmen auszugleichen. Menschliches Leid kann man sowieso nicht mehr gutmachen.

    Wie weit zurück darf dieser Rahmen gehen? Etwa bis ins tiefe Mittelalter, als die Kreuzritter im Nahen Osten wüteten? Oder gar bis ins Altertum? Durch die extreme Fragestellung sehen wir, dass wir eine Grenze ziehen müssen. Im Rahmen der UNO wurde schon Antworten gegeben.

    Für den Fall Deutschlands sind die Verbrechen bis zum Ende des letzten Weltkrieges gesühnt. (Logisch ist aber eine Selbstverständlichkeit, in dieser Zeit geraubte materielle Güter den Eigentümern oder deren Erben zurückzugeben.) Die Verbrechen der Kolonialmächte sind ausgenommen - also inclusive der des deutschen Kaiserreiches. Es ist verständlich, dass heut allerlei Nationen materielle und ideelle Forderungen stellen. Um eines Ausgleiches zwischen den Völkern wegen war die Rückführung von den Knochen sicher richtig.

    Wer über Opfer spricht, der meint im allgemeinen persönlich Betroffene. Nach über 100 Jahren sind Hereros sicher nicht mehr Betroffene. Sie kennen die wirtschaftliche Prosperität Deutschlands und wollen daran teilhaben. Wenn der Staat ihnen und anderen Völkern Entwicklungshilfe gewährt, so ist das zu befürworten. Gleiches gilt, wenn der Staat versucht, wirtschaftliche Ausbeutung dieser Länder zu beenden. Aber ich habe volles Verständnis dafür, dass persönliche materielle Zuwendungen für wirkliche und auch angebliche Nachkommen von Opfern aus dieser Zeit verweigert wird.

  • der landraub zu dem es vor während und nach dem vom deutschen reich verübten völkermord kam ist ein teil des historischen unrechtes der korrigiert werden kann und muss.die erben der landräuber sind zu enteignen. für die von ihnen auf dem unrechtmässig erworbenen land getätigten investitionen -aber nicht für das land-dass sie ja zu unrecht besitzen -könnte und sollte die brd ihnen eine entschädigung zahlen.diejenigen erben der landräuber die sich reaktionär zur wiederherstellung der landrechte der ureinwohner verhalten-sollten dazu überredet werden nach deutschland zurückzukehren. bleiben dürfen soll nur wer das rassistisch motivierte historische unrecht als solches betrachtet und von ihm nicht weiter profitieren will.