Kommentar Deutsche Diplomatie: Werte in einer verkehrten Welt
Die Antwort auf die Außenpolitik von Trump und Xi muss die Stärkung Europas sein. Allerdings sieht es dafür derzeit leider schlecht aus.
D ie deutsche Diplomatie findet sich gerade in einer verkehrten Welt: Kanzlerin Merkel erlebt trotz mancher Interessensgegensätze viel Harmonie in Peking, Außenminister Maas dagegen trotz traditioneller Wertgemeinschaft offenen Dissens in Washington. Merkels Gastgeber sprechen sich mit der Kanzlerin gegen handelspolitischen Protektionismus aus, betonen einen regelbasierten Multilateralismus und wollen mit den Europäern unbedingt am Nuklearabkommen mit dem Iran festhalten. Schon vor Merkels Ankunft hatten die Chinesen zur Freude der deutschen Industrie die Halbierung ihrer Importzölle für Autos angekündigt.
Maas hingegen muss sich in Washington damit auseinandersetzen, dass US-Außenminister Pompeo und Sicherheitsberater Bolton bei der Aufkündigung des Iran-Deals knallhart bleiben. Und Trump plant zum Schreck der deutschen Industrie Importzölle auf Autos. Selten hat ein Bundesaußenminister bei den USA, Deutschlands wichtigstem Partner außerhalb Europas, so auf Granit gebissen.
Natürlich kann die Volksrepublik China, auch wenn sie Deutschlands größter Handelspartner ist, die USA nicht politisch ersetzen. Abgesehen davon sind Chinas Äußerungen und sein Handeln etwa beim Protektionismus gelinde gesagt widersprüchlich. Das von Trump postulierte „America first“ praktiziert Peking als „China first“.
Die von Berlin gern betonte Wertegemeinschaft mit den USA – Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft – kann der autoritäre Einparteienstaat China nicht ersetzen. Doch stellt sich angesichts Trumps Unberechenbarkeit die Frage, ob er die bisherigen Werte überhaupt noch teilt.
Trotz rhetorischer Nähe ist auch gegenüber China Misstrauen angebracht. Denn Chinas KP-Führung ist nicht nur selbst durch Trump verunsichert, sie spielt auch immer offener ihre Macht aus. Die Antwort auf Trump und Xi muss deshalb die Stärkung Europas sein. Angesichts des Brexits und des Vormarschs antieuropäischer Rechtspopulisten sieht es dafür derzeit leider schlecht aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe