Kommentar Deutsche Bahn: No-Win-Situation
Die brutale Rationalisierung der Ära Mehdorn rächt sich. Die Bahn muss dringend in Infrastruktur investieren. Die von der Regierung geforderte Gewinnabgabe ist absurd.
K ennen Sie den? Die Bahn hat vier Feinde – Frühling, Sommer, Herbst und Winter.
Zur Erinnerung: Im Sommer fielen Dutzende ICEs aus, weil die Klimaanlagen streikten. Jetzt im Winter fielen reihenweise Züge aus und die Berliner S-Bahn, eine Tochter der Bahn AG, fährt wegen technischer Probleme nur ein Notprogramm. Trotzdem fordert die Regierung weiter eine Gewinnabgabe von einer halben Milliarde Euro pro Jahr. Das ist absurd.
Denn die Bahn muss investieren, und zwar in Schienen, Weichen und robuste Züge. Zudem ist ein Strategiewechsel nötig: weg von der Börse und den globalen Märkten. Und hin zum Kerngeschäft in Deutschland, das da heißt: Menschen und Güter zuverlässig, schnell und möglichst günstig von A nach B zu bringen.
Richard Rother ist Redakteur im taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt.
Fairerweise muss man sagen: Die Ausfälle in diesem Winter mit sehr viel Schnee haben eine lange Vorgeschichte. Bahnchef Rüdiger Grube hat eine Menge Probleme von seinem Vorgänger Hartmut Mehdorn geerbt. Dazu gehörte etwa die brutale Rationalisierung in Berlin: Die S-Bahn schloss Werkstätten, baute Personal ab und verschrottete Ersatzzüge. Hinzu kommen Konstruktionsmängel bei der jüngsten Baureihe, bei der Räder und Achsen nicht dauerhaft stabil sind und Flugschnee die Motoren lahmlegt. All diese Probleme lassen sich nicht von heute auf morgen lösen.
Trotzdem muss die Bahn sie angehen – mit politischer und finanzieller Unterstützung. Doch der Konzern begibt sich offenbar lieber auf Einkaufstour im Ausland. Er will zum internationalen Player werden. Das mag angesichts der EU-weit gewollten Liberalisierung im Bahnsektor nicht gänzlich falsch sein – darf aber nicht zur Vernachlässigung der Kunden im Inland führen.
Einer anderen ehemaligen Bundesbehörde gelingt dieser Spagat zwischen Expansion im Ausland und weitgehend stabilem Inlandsgeschäft übrigens besser: der Deutschen Post. Auch wenn zu Weihnachten nicht alle Briefe und Päckchen pünktlich waren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen