Kommentar Desertec: Die Wüste lebt noch
Gemessen an den ursprünglichen Erwartungen ist das Projekt Desertec weit vor dem Ziel gestrandet. Doch die Idee Wüstenstrom lebt weiter.
D esertec ist gescheitert, und das Bemerkenswerte daran ist: Das ist total egal. 2009 entdeckte die deutsche Wirtschaft die Energiewende. Nicht hier, sondern im fernen Afrika. Münchner Rückversicherung, HSH Nordbank, Deutsche Bank, Eon, RWE, Schott Solar und einige andere gründeten mit viel Brimborium ein Konsortium, das Wind- und Solarkraftwerke in Afrika errichten wollte.
Von 400 Milliarden Investitionen war die Rede, Zeitungen druckten fasziniert Landkarten, die gewaltige Solarkraftwerke und Tausende Kilometer Stromleitungen quer durch die Wüste zeigten, als wäre die Welt ein Planspiel. Manager verglichen das Projekt mit der Mondlandung.
Jetzt haben sich fast alle Firmen abgewandt. Nur drei wollen noch ein gemeinsames Planungsbüro finanzieren.
Verglichen mit den aufgeheizten Erwartungen ist das Projekt unrettbar verdorrt. Schließlich versprach der Leiter, Paul von Son, bereits ab 2020 ersten Wüstenstrom für Europa. Aber genau genommen war Desertec von Anfang an vor allem eins: ein Missverständnis.
Zunächst in der öffentlichen Wahrnehmung, schließlich hat nie eine Firma versprochen, konkret etwas zu bauen – und auch nie mehr als ein paar hunderttausend Euro in Voruntersuchungen gesteckt. Die Manager der beteiligten Konzerne wiederum hatten die Energiewende nicht kapiert, die vor allem dezentral bei uns vor der Haustüre geschieht und den alten Gigantismus ablöst.
Die übliche Empörung folgte ebenfalls sofort: Kritiker faselten von einem neuen europäischen Kolonialismus, als wären Solarzellen und Windräder die Expeditionskorps des 21. Jahrhunderts. Auch das: ein Missverständnis.
Selbst die Annahme eines Scheiterns des Projekts ist ein Missverständnis. Die Idee des Wüstenstroms lebt fort und wird umgesetzt. Desertec hat geholfen, den Weg vorzubereiten. Vielleicht exportiert Nordafrika auch irgendwann Strom nach Europa.
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