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Kommentar DemorechtEin Grundrecht verstehen

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das Bundesverfassungsgericht hat das Versammlungsgesetz teilweise eingeschränkt. Ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Bild: taz

Christian Rath ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.

Karlsruhe hat die Probleme für das Demonstrationsrecht immerhin gesehen, wenn auch noch nicht wirksam beseitigt. Der Eilbeschluss zum bayerischen Versammlungsrecht ist ein Schritt in die richtige Richtung und lässt auf ein liberales Urteil in der Hauptsache zumindest hoffen.

Zu Recht hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Kamerabeobachtung von Demonstrationen einschüchternd wirkt. Auch anderen bayerischen Erfindungen, wie dem vagen Verbot militanter Kleidung, hat das Gericht korrekt attestiert, dass sie die Bürger vom Gebrauch ihrer Grundrechte abschrecken können.

Doch der Karlsruher Eilbeschluss ist halbherzig. So bleibt etwa die Kamerabeobachtung von größeren Demos zulässig; die Bilder dürfen nur nicht gespeichert werden. Kann so eine Einschüchterungswirkung ausgeschlossen werden? Wie sollen Demonstranten erkennen, ob die Bilder nur übertragen oder doch gespeichert werden? Im Interesse einer möglichst unbeschränkten Demonstrationsfreiheit gibt es nur eine Lösung: keine staatlichen Kameras auf friedliche Demonstrationen.

Ein anderer Kardinalfehler des bayerischen Gesetzes ist gestern noch gar nicht zur Sprache gekommen, weil die linken Kläger hier die CSU-Linie voll mittragen: die gezielte Erschwerung rechtsradikaler Versammlungen. Wenn schon die drohende "Verharmlosung" des Nationalsozialismus zu Versammlungsverboten führen kann, ist nicht nur der Willkür Tür und Tor geöffnet. Zwischen erwünschten und unerwünschten Demonstrationen zu unterscheiden, führt das Grundrecht der Versammlungsfreiheit ad absurdum. Demonstrationen sind nun mal vor allem für diejenigen wichtig, die unliebsame Meinungen äußern wollen und keinen Zugang zu den Mainstream-Medien haben. Der Staat hat sich deshalb jeder Bewertung der Positionen einer Kundgebung zu enthalten. Wer - wie die Kläger - nur für sich selbst Demonstrationsfreiheit fordert, für seine politischen Gegner aber ein stark eingeschränktes Feind-Versammlungsrecht mitträgt, hat von diesem Grundrecht wenig verstanden. Auch hier wird Karlsruhe hoffentlich im endgültigen Urteil noch wirksam gegensteuern.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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1 Kommentar

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  • UB
    Ulrich B. Gensch

    Das ist ja putzig: Da wird die Bayern-FDP in einem taz-Kommentar als "links" bezeichnet....

     

    Ich stimme dem Kommentar zu, dass NationalsozialistInnen anders als mit Paragrafen des Versammlungsgesetzes bekämpft werden sollten. Dass aber dies nun den BeschwerdeführerInnen vorgeworfen wird, ist die verkehrte Richtung. Die damals von einer 2/3-CSU-Mehrheit gestellte Staatsregierung hatte im Herbst 2007 ein Versammlungsgesetz vorgestellt, das als Anti-Nazi-Gesetz verkauft wurde. Viele Medien haben diese Bewertung unkritisch übernommen. Erst durch mühsame und langwierige Arbeit sehr vieler Gruppen aus vielen politischen Richtungen (eben nicht nur "links") wurde etlichen Menschen in Bayern deutlich, dass das Gesetz vor allem undemokratisch ist. Wäre es da klug gewesen, offensiv zu betonen, die Anti-Nazi-Regelungen (soweit sie der vorherigen Regelung des Bundesversammlungsgesetzes gleichen) auch streichen zu wollen? Nein. Die BeschwerdeführerInnen haben dieses Gesetz nicht gemacht. Sie sind also auch für den Teil, den sie nicht angreifen, nicht verantwortlich. Wer diesen Art. des BayVersG kritisieren will, sollte deutlich sagen, dass auch dieser von der CSU erdacht und beschlossen worden ist.