Kommentar Das Ende der Ära Castro: Weder Charisma noch Aufbruch
Miguel Díaz-Canel wird Präsident. Doch der Neue steht für das alte Kuba. Für Kontinuität sorgt aber auch ein anderer: Donald Trump.
W er sich vom Ende der Castro-Ära in Kuba einen spektakulären Umbruch erwartet hat, wird wohl enttäuscht. Mit der Amtsübergabe an Miguel Díaz-Canel erlaubt der 86-jährige Raúl Castro zwar einen Generationenwechsel, aber sicher keinen Systemwechsel. Der Nachfolger wurde wohl auch deshalb ausgewählt, weil von ihm keine gefährlichen Experimente zu erwarten sind.
Als die Castro-Brüder und Che Guevara vor 59 Jahren Revolution machten, schufen ihr jugendlicher Elan und ihre Entschlossenheit, alles radikal umzukrempeln, ein neues Land. Es ist kein Zufall, dass mit dem 19. April der Jahrestag des kubanischen Sieges in der Schweinebucht für die historische Amtsübergabe ausgewählt wurde.
Die größte Reformepoche begann, als Fidel Castro vor bald zwölf Jahren krankheitsbedingt seinem jüngeren Bruder Platz machte. Raúl Castro liberalisierte die Wirtschaft und befreite den Staat von teuren Belastungen. Tausende private Kleinbetriebe haben das Leben in Kuba entscheidend verändert. Aber immer noch kommen die meisten Menschen nur über die Runden, weil sie illegal Dollars verdienen oder den Staat bestehlen.
Miguel Díaz-Canel, der bereits mehrere Jahre als Vizepräsident seine Zuverlässigkeit bewiesen hat, strahlt weder Charisma noch Aufbruchstimmung aus. Raúl Castro kontrolliert weiterhin die Armee und den Sicherheitsapparat und damit den Schlüssel zur Stabilität. Sein Sohn leitet den allgegenwärtigen Staatssicherheitsdienst, sein Schwiegersohn das Unternehmensimperium der Streitkräfte. Castro wird außerdem bis 2021 Chef der kommunistischen Einheitspartei bleiben. Und wie man weiß, sind die Beschlüsse der Partei für die Regierung bindend.
Für Kontinuität sorgt auch Donald Trump. Barack Obamas erfolgversprechenden Versuch, einen Regime Change durch Wirtschaftsbeziehungen zu erwirken, hat er beendet. Er setzt auf die primitiven althergebrachten Mechanismen von Druck und Isolation – und stabilisiert so das kubanische Regime.
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