Kommentar Clement-Streit: Amoklauf eines Lobbyisten
Mit seinem Rat, in Hessen nicht SPD zu wählen, hat Ex-Parteivize Clement die Parteispitze gezwungen, sich hinter Ypsilanti zu stellen - und damit gegen Kohle und Atom.
E in ehemaliger Parteivize, der im Endspurt eines Wahlkampfs davor warnt, die eigene Partei zu wählen: Das ist in dieser Form wohl einmalig. Für Wolfgang Clement ist es allerdings nur konsequent, wenn er als RWE-Aufsichtsrat heute ohne Rücksicht auf Verluste gegen die Energiepolitik der SPD wettert. Schon während seiner Zeit als "Superminister" im Kabinett Schröder hat er sich wenig um die Partei geschert - und umso mehr für Lobbyinteressen gekämpft.
MALTE KREUTZFELDT ist Leiter des taz-Ressorts Ökologie und Wirtschaft.
Der ehemalige Botschafter des neoliberalen Lobbytrupps "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" war einer der Architekten der Agenda 2010. Er ist damit mitverantwortlich für die größten Mitgliederverluste der SPD und eine lange Serie von Wahlniederlagen. Auf eine weitere in Hessen kommt es da für ihn nicht mehr an.
Dass die Sozialdemokraten nun unter Druck von Mitgliedern und WählerInnen auf Abstand zu diesem Kurs gehen und sich wieder stärker mit linken Inhalten profilieren, hat Clement schon zuvor scharf kritisiert. Auch das übrigens durchaus mit Eigeninteresse: Nachdem er als Minister die Regeln für Leiharbeit liberalisiert hatte, wechselte er anschließend auf die Gehaltsliste einer Zeitarbeitsfirma.
Mit seinem jüngsten Vorstoß gegen die fortschrittliche Energiepolitik von Ypsilanti und Scheer hat Clement der Atom- und Kohlelobby aber einen Bärendienst erwiesen. In der SPD gibt es viele Genossen mit engen Kontakten zu den Energiekonzernen, die die Klimapolitik der Partei kritisch sehen. Mit seinem unsolidarischen Auftritt mitten im Wahlkampf hat Clement nun jedoch die Parteispitze gezwungen, sich hinter Ypsilanti zu stellen - und damit auch hinter die klare Absage an Kohle und Atom. Gerade Fraktionschef Peter Struck, der bislang viele Positionen von Clement geteilt hat, dürfte die Forderung nach einem Parteiausschluss nicht leicht gefallen sein. Doch er hatte keine Wahl.
Wolfgang Clement kann es egal sein, ob er aus der Partei ausgeschlossen wird - er lebt ohnehin von seinem Dasein als "Expolitiker". Für die SPD steht hingegen viel auf dem Spiel. Es geht um die Frage, ob sie auf ExpertInnen und Mitglieder hört. Oder sich weiter von Lobbyisten vorführen lässt.
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