Kommentar China: Erdbeben und Öffentlichkeit
Die Informationspolitik Chinas zum Erdbeben ist nicht mehr Vergleichbar mit der beim großen Beben 1976. Für die Regierung wird sich die Öffnung der Informationskanäle auszahlen.
Zwischen der Hilfe im Katastrophenfall und der ebenso raschen wie umfassenden Unterrichtung der Öffentlichkeit besteht ein enger Zusammenhang. Das birmesische Militärregime bietet hier in den letzten Wochen reiches negatives Anschauungsmaterial. Demgegenüber zeigt uns die Informationspolitik der chinesischen Regierung in den 48 Stunden nach der Erdbebenkatastrophe, welch große Wegstrecke das Land seit dem letzten großen Beben von 1976 zurückgelegt hat.
1976 war viel vom Opfermut der Helfer, viel von ihrer korrekten politischen Orientierung in der laufenden politischen Kampagne die Rede. Aber wenig von den konkreten Problemen und den dringenden, im Erdbebengebiet zu ergreifenden Maßnahmen. Gerüchte wucherten und der alte Aberglaube machte die Runde, nach dem große Naturkatastrophen den Entzug des himmlischen Mandats für die Herrschenden ankündigten.
Im schroffen Gegensatz hierzu bemüht sich heute die Nachrichtenagentur Xinhua, die Bevölkerung so schnell wie möglich auf den Stand zu bringen. Sie unterlässt jeden Versuch der Schönfärberei. Die Schilderung, dass in einem Gesundheitsamt Bettlaken und Vorhänge zerrissen wurden, um als Verbandsmaterial benutzt zu werden, ist weit von der Versicherung entfernt, "wir haben alles im Griff". Die Informationen betreffen in erster Linie den Verlust oder die Gefährdung von Menschenleben sowie den Mangel an Lebensmitteln, Medikamenten und Trinkwasser. Berichtet wurde aber auch über die Schäden an Fabrikanlagen in der Region sowie die Unterbrechung der Kohle- und Erdölproduktion in der gesamten Provinz Sichuan. Neuartig ist auch die Nutzung des Internet im Katastrophenfall. So ordnete das Umweltministerium auf einer Internetseite die sofortige Überprüfung aller AKWs auf mögliche Erdbebenschäden an. Informationen dieser Art unterlagen bislang der Geheimhaltung.
Für die Regierung wird sich die Öffnung der Informationskanäle auszahlen. Vor dem Hintergrund einer realistischen Berichterstattung wird ihre Rolle als effizienter Organisator der Katastrophenhilfe umso kräftiger hervortreten. Ein Propagandaerfolg - auch im Hinblick auf die Olympischen Spiele.
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