Kommentar Cem Özdemir: Das Kind, das zu viel will

Die Grünen im Ländle haben Özdemir ein Mandat im Bundestag verweigert. Das wird dem designierten Parteichef eine erfolgreiche Arbeit in der Bundeszentrale erschweren.

Man muss Cem Özdemir nicht mögen, um zu erkennen, dass die Grünen in Baden-Württemberg eine Dummheit begangen haben. Er soll die Partei führen, neben und hinter einem Haufen anderer Vorsitzender, Spitzenkandidaten und Fachschulzes. Für diese Aufgabe bekommt er jetzt noch ein Rucksäckle, auf dem geschrieben steht: "Zu Hause kann ich mich nicht durchsetzen." Die Dummheit ist so offenkundig, dass sie nicht weiter der Rede wert wäre, stünde hinter ihr nicht noch ein weiterer, ein struktureller Denkfehler.

Am Ende einer mühseligen Suche ist Özdemir der einzige halbwegs erfahrene Kandidat für den Parteivorsitz geblieben. Der Job ist unattraktiv. In der Berliner Parteizentrale am Neuen Tor sind die Mittel gering, ist der Stab so klein, dass Grüne in den Fraktionsräumen des Bundestags die Freunde mitunter "die arme Verwandtschaft" nennen. Allein mit schlauen Argumenten aber ist im Berliner Machtladen schlecht Politik zu machen. Ein Parteivorsitzender der Grünen hat viel weniger Aufgaben und Auftritte zu verteilen als ein Chef der Parlamentsfraktion. Die Koparteivorsitzende Claudia Roth ist als Abgeordnete zumindest in der Bundestagsfraktion verankert. Özdemir wollte das auch.

Das aber hat ihm die Basis verwehrt. Sie fand es auf dem Landesparteitag gut, das Führungsamt der Partei von einem Mandat fürs Parlament zu trennen. Schon bei anderen Parteitagen haben sich die Grünen-Delegierten für weitere Regeln der Machttrennung entschieden: Kein Parteichef soll je Fraktionschef sein, es soll zudem immer zwei von jeder Sorte geben. Die Dopplung der Doppelspitze aber ist - wenn überhaupt - nur dann eine schöne Idee, wenn die richtigen Personen bereit sind sie auszufüllen. Kurz: Jemand muss die Jobs machen und darin erfolgreich sein können. Dies war den Delegierten in Schwäbisch Gmünd egal. Sie bestehen darauf, einen lebendigen Parteitag abzuhalten, der nicht nur abnickt. Der Wunsch ist legitim, verhindert aber die Verwirklichung des anderen: die erfolgreiche Teilung von Macht.

So sitzt die Grünen-Basis da wie ein trotziges Kind. Es will unbedingt dienstags um drei zum Theaterkurs, und es will unbedingt dienstags um drei zum Fußball. Geht aber nicht. GEORG LÖWISCH

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.